Drei Fragen an: Stéphanie Bru und Eveline Jürgens

Prof. Stéphanie Bru leitet das Architekturbüro Bruther in Paris und hat gemeinsam mit Prof. Eveline Jürgens, Architektin in Berlin, die Gastprofessur am Fachgebiet „Entwerfen und Baukonstruktion I“ an der Universität der Künste (UdK) inne. Wir haben uns mit ihnen über „Hyper Comfort“ als Themenstellung in der Lehre und in der Praxis unterhalten und erfahren, was gesundes Bauen für beide bedeutet.

Weshalb haben Sie sich gemeinsam des Themas „Hyper Comfort“ angenommen? Wie fließen Ihre Interessen aus der Praxis in die Lehrveranstaltung ein?

Stéphanie Bru: Nicht nur für mich persönlich, sondern auch für meine Arbeit im Büro ist die Frage nach „Komfort“ äußerst relevant und breit gefasst. Ob wir entwerfen, Normen hinterfragen oder Texte schreiben – das Thema ist allgegenwärtig. Wenn ich unterrichte, ist es mir wichtig, Fragen zu stellen und keine Behauptungen zu äußern. In der Lehre beschäftigen wir uns mit den gleichen Fragen, die ich mir auch in der Praxis stelle. Mein Lehransatz liegt meinem Ansatz in der Praxis sehr nahe.

Eveline Jürgens: Wichtig ist uns, dass die Studierenden die Begriffe umfassend verstehen und deren Bedeutung hinterfragen. Wir stellen ihnen gerne Fragen und möchten, dass sie sich der notwenigen Infrastruktur, die einen entsprechenden „Komfort“ ermöglicht, bewusst werden, und dass sie reflektieren, wie „Komfort“ uns manchmal von realen Erlebnissen und Sensationen fernhält. Ich denke, viele von uns sind sich dessen nicht bewusst. Wir haben immer irgendwelche Tools in der Hand und bewegen uns stetig von einem Raum mit perfekter Temperatur zu einem anderen Raum mit perfekter Temperatur. Völlig egal, welches unmittelbare Klima draußen herrscht.

Welche Methoden haben Sie, um Studierende in diesem Bewusstsein zu schulen?

Stéphanie Bru: Das ist eine Sache der Nachforschung, der Untersuchung. Wir sehen Architekt*innen nicht unbedingt als kreative Kraft oder als Schöpfer*innen an, sondern vielmehr als Detektiv*innen, die die relevanten Fragen stellen. Mich interessiert die Weltanschauung der Studierenden und ihr Interesse dafür, wie Räume genutzt werden. Insbesondere Räume, die wir gänzlich nicht als glamourös betrachten würden. Wie kann also die Student*in eine Geschichte zu diesem Raum erzählen? 

Das mutet einer Mythologie im Sinne von Roland Barthes' Begriffsdefinition des „Mythos“ an. Bei einem Bild oder einer Abbildung reicht die Frage danach aus, wie dieses Bild angeschaut, interpretiert und argumentiert wird. Wenn eine Student*in eine Gebäudeanalyse durchführen muss, interessiert mich hierbei weniger die Geschichte des Gebäudes, sondern vielmehr die der Student*in, die sie uns zu erzählen hat.

Was bedeutet für Sie „gesundes“ Bauen?

Eveline Jürgens: „Gesundes“ Bauen bezieht sich für uns nicht exklusiv auf die Materialität und die Auswahl der verwendeten Baustoffe. Es ist zudem der Anspruch, mit möglichst wenig Material Räume zu entwickeln, die in einer engen Verbindung zur Natur stehen. Ein weiteres Anliegen besteht darin, neue Nutzungsmöglichkeiten für standardisierte Materialien aus der Industrie zu finden und weiterzuentwickeln.

Stéphanie Bru: Für mich stellt sich hierbei in erster Linie die Frage nach Leichtigkeit. Der erste von Italo Calvinos „sechs Vorschlägen für das nächste Jahrtausend“ bezieht sich auf die Leichtigkeit im Bauen.