Als Verein in der Lehre: ZAS* über Strategien für ein zukünftiges Zürich

Wie die Zürcher Arbeitsgruppe für Städtebau aus den 1950er-Jahren will die neu gegründete ZAS* den städtebaulichen Diskurs mit Alternativen beleben. Der Verein leitet ab diesem Herbst ein Gaststudio an der ETH Zürich. Wie sie dort als Viele gemeinsam lehren, haben uns Julian Wäckerlin und Lian Stähelin, zwei Mitglieder des Vereins, erzählt.

Was ist ZAS* und welche Hintergründe hat eure Organisation?

JW: Die Zürcher Arbeitsgruppe für Städtebau (ZAS) war ein Verein von Architekt*innen, der von den späten 1950er-Jahren bis in die 1990er-Jahre politisch aktiv war. Der ursprüngliche Verein setzte sich besonders für Themen wie den Stopp des Autobahnbaus und städtebauliche Fragen ein und brachte seine Anliegen in den öffentlichen Diskurs der Stadtentwicklung ein. Wir sind zum Großteil ehemalige Studierende der ETH Zürich, die ein Forum suchten, um städtebauliche Themen wie die Sanierung und Neubauproblematik in Zürich zu besprechen. Auf dieser Grundlage fanden wir uns zusammen und reaktivierten die ZAS*. Durch regelmäßige Treffen und monatliche Kolumnen in lokalen Zeitungen starteten wir öffentliche Diskussionen, die politische Resonanz fanden. Dies führte zu einem Austausch mit städtischen Akteuren und inspirierte uns, weiterführende Projekte wie den Ideenwettbewerb für das Stadtspital Triemli zu initiieren.

Wie kamt ihr dazu, nun an die ETH zurückzukehren und ein Gaststudio zu leiten?

LS: Vor etwa zwei Jahren bot ein Open Call diese Möglichkeit. Das Programm fand Anklang und wurde deshalb erneut ausgeschrieben. Vier Positionen standen zur Verfügung, jeweils für ein Semester. Wir gehörten zu den ausgewählten Gruppen. Die ETH scheint gezielt jüngere, vielleicht politisch engagiertere Perspektiven ins Departement holen zu wollen, zumindest zeitweise. Diese Gastpositionen bieten dabei die Chance, frische Impulse in die Lehre zu bringen, da reguläre Professuren oft lange Berufungsverfahren und teilweise lebenslange Anstellungen erfordern. Das kann insbesondere den wissenschaftlichen Mittelbau stärken und ermöglicht uns, neue Perspektiven in den universitären Diskurs einzubringen.

Ihr wurdet schließlich ausgewählt. Mit welchem Ansatz seid ihr in die Gestaltung des Gaststudios gegangen?

JW: Unser Ansatz war von Anfang an, gemeinsam mit den Studierenden an Inhalten zu arbeiten. Da wir selbst nur wenig älter als die Studierenden sind, wollten wir uns nicht als traditionelle Dozierende sehen, sondern mit ihnen auf Augenhöhe die Themen bearbeiten. Unser Ziel ist dabei weniger, reines Wissen zu vermitteln, sondern den Studierenden eine Art Netzwerk zur Verfügung zu stellen, durch das sie mit relevanten Personen und Ressourcen in Kontakt kommen.

Das ZAS* besteht aus 20-30 Mitlgiedern. Seid ihr alle in das Studio involviert? Und wenn ja, wie genau funktioniert das Ganze als eine solch große Gruppe an Lehrenden?

LS: Genau weil wir ja so viele sind, haben wir tatsächlich zu Anfang sogar mit einer Eins-zu-eins-Betreuung geliebäugelt. So ganz ist diese Idee dann doch nicht aufgegangen. Aber ein zentraler Bestandteil unseres Ansatzes im Gaststudio ist die Arbeit in gemischten Gruppen aus uns und den Studierenden. Praktisch bedeutet das, dass etwa zehn von uns regelmäßig einmal pro Woche gemeinsam mit den Studierenden an den Projektthemen arbeiten. Ein weiterer Aspekt ist, dass wir den Namen des ursprünglichen Vereins, der uns als ZAS* inspiriert hat, bewusst übernommen haben. Damit möchten wir den Studierenden die Möglichkeit geben, sich diesen Namen ebenfalls anzueignen und Teil davon zu werden. Unsere Erfahrung zeigt, dass dieser etablierte Name oft neue Türen öffnet und dabei hilft, eine andere Position einzunehmen oder eine neue Perspektive auf sich selbst und das Projekt zu gewinnen.

Welche Inhalte werdet ihr gemeinsam bearbeiten oder suchen sich die Studierenden ihre Aufgabe hierbei selbständig?

JW: Unsere Aufgabenstellung im Studio dreht sich um ein zentrales Thema, das die Stadt Zürich aktuell beschäftigt: das erwartete Bevölkerungswachstum bis 2050. Die Stadt geht davon aus, dass im Kanton Zürich bis dahin etwa 450.000 Menschen mehr leben werden. Wir möchten gemeinsam mit den Studierenden die Frage erforschen: Was bedeutet diese Entwicklung konkret für Zürich?
Im Gegensatz zu beispielsweise offiziellen Ämtern, die solche Herausforderungen oft eher technisch und planerisch angehen, haben wir die Freiheit, kreativ und kritisch auf die Situation zu schauen und das sowohl mit städtebaulichen als auch raumplanerische Überlegungen – plus einer politischen Dimension.

LS: Dabei folgt unsere Aufgabenstellung im Studio einem dreistufigen methodischen Ansatz: Beginnend mit der Phase „beobachten“, in der Studierende Zürich aus verschiedenen Perspektiven wahrnehmen und ihre Eindrücke in Kolumnen festhalten. In der zweiten Phase, dem „Einnisten“, lernen die Studierenden wichtige Akteur*innen kennen, führen Interviews und gewinnen tiefere Einblicke in die städtischen Strukturen. Die dritte Phase nennt sich „anstoßen“. Aus den gewonnenen Erkenntnissen soll überlegt werden, wie sie konkrete Impulse setzen können, um die Stadtentwicklung mitzugestalten.

Ihr entwerft mit den Studierenden also quasi Strategien für das zukünftige Zürich – was können wir uns unter diesen Projekten vorstellen? Wie und wo forscht und agiert ihr dabei?

JW: Uns war es wichtig, das Projekt auch über den Campus hinaus zu denken und in die Stadt zu integrieren. Der ETH-Campus am Hönggerberg ist zwar ein schöner Ort, aber er liegt etwas abseits und ist nicht direkt mit der Stadt verbunden. Deshalb haben wir den „Ämtli für Städtebau", einen Pavillon im Herzen von Zürich als Arbeitsort gewählt, da er in der Nähe zahlreicher relevanter städtischer Ämter liegt, wie dem Amt für Städtebau, dem Hochbauamt und der Grünstadt Zürich. Dieser Pavillon wurde für zwei Jahre zur Nutzung ausgeschrieben und wir haben uns erfolgreich beworben, ihn in unser Semester zu integrieren. Das „Ämtli für Städtebau“ versteht sich als eine Art „Service“ für die Stadt, vergleichbar mit einem Putzplan, den man vielleicht aus einer WG kennt. Wir wollten mit den Studierenden gemeinsam in diesem Kontext arbeiten und einen Unterschied machen, indem wir diese Arbeitsstrukturen und die Nähe zu den städtischen Ämtern aktiv nutzen.

Würdet ihr sagen ihr macht dadurch die Studierenden selbst zu Vermittler*innen? Welche Ziele verfolgt ihr mit diesem Lehransatz und eurer Arbeit?

LS: Ja genau – das kann man so sagen. Unser Ansatz ist bewusst breit angelegt, da wir sowohl mit Fachexpert*innen und städtischen Ämtern als auch mit Bürger*innen und Anwohner*innen zusammenarbeiten. Die Gespräche und Partnerschaften, die wir eingehen, sind vielfältig und hängen von den jeweiligen Themen und Arbeitsgruppen ab. Im Zentrum aller Gruppen steht jedoch immer die Frage: „Was bedeutet es, wenn Zürich wächst, und wie kann die Stadt offen und inklusiv bleiben?“ Ein Beispiel ist unser Austausch mit Personen, die an der Einführung einer „City Card“ arbeiten – einer Art Städtepass, der allen Bewohner*innen (auch Sans Papiers) Zugang zu städtischen Dienstleistungen und mehr Teilhabe am öffentlichen Leben ermöglichen soll. Die Einbeziehung der Stimmen von Menschen, die kein Stimmrecht haben, ist uns wichtig, da sie ebenfalls Teil des zukünftigen Zürichs sind. Es ist uns ein Anliegen, diese Perspektiven zu berücksichtigen und den Dialog darüber zu fördern, wie eine gerechte und offene Stadtentwicklung gestaltet werden kann.