Zigarettenstummel und Trachtensocken: Das Seminar „Closing the Circle“

Zirkuläres Bauen ist in aller Munde – doch gilt das auch für den Architekturmodellbau? Studierende an der TU München haben im Wintersemester 2022/23 mit dem Seminar „Closing the Circle“ den europaweit ersten Recycling-Modellbauwettbewerb ins Leben gerufen.

Aus der Bachelorthesis „Bau-Art-Uni“ entstand am Lehrstuhl für Urban Design, TU München das Seminar „Closing the Circle“ mit dem erklärten Ziel, die Recycling-Thematik in der Architekturlehre zu verstetigen. Außerdem sollte ein Wettbewerb für Recyclingmodelle projektiert werden. Matthias Faul betreute als wissenschaftlicher Mitarbeiter den Kurs. Durch mehrere Aktionen sorgte das Seminar nicht nur an der Fakultät, sondern auch international für Aufmerksamkeit. Die Studierenden zeigten ein großes Interesse, den bisherigen Umgang mit Materialien im Studium zu hinterfragen, so Faul. Auch die Lehrenden waren sich überwiegend angetan: Inspiriert von der Arbeit der Seminargruppe ersetzte beispielsweise ein Lehrstuhl weißes Styrodur durch wiederverwendbare Pappe.

Nachhaltig Kosten senken

Neben der ökologischen Komponente spielt natürlich auch die finanzielle Belastung der angehenden Architekt*innen durch den Modellbau hier eine Rolle. Um eine Idee davon zu bekommen, welches Sparpotenzial der Wiederverwendung von Materialien innewohnt, haben die Seminarteilnehmenden in Umfragen eruiert, wie viel Geld die Studierenden für ihre Modelle ausgeben. Das Architekturmuseum der TU München spendete den Studierenden gebrauchte MDF-Platten, um diese Kosten zu senken. Aus den gespendeten Platten, die ansonsten in der Müllpresse gelandet wären, konnten etwa 50 Grundplatten für studentische Projekte produziert werden.

Kuratiertes Material

Multiple Aktionen während des Semesters sollten für die Wiederverwendung von Materialien im Modellbau sensibilisieren. Beispielsweise kippten die Studierenden zunächst den Müllcontainer ihres eigenen Studios aus und sortierten Brauchbares von tatsächlichem Abfall. Kurz darauf knöpften sie sich die Container der anderen Arbeitssäle an der Fakultät vor. Das gerettete Material wurde dann fein säuberlich kategorisiert, sodass die Modellbauer*innen es einfach nur zu entnehmen brauchten. Matthias Faul berichtet, dass durch dieses „Kuratieren“ des vermeintlichen Mülls sich automatisch eine neue Wertigkeit in der Betrachtung einstelle. Doch nicht nur für das Rohmaterial selbst sollten neue Sichtweisen entstehen, sondern auch in Bezug auf die Ästhetik der fertigen Recycling-Modelle. Daher ist dieser Aspekt im Wettbewerb mit einer eigenen Kategorie berücksichtigt worden.

Zigarettenstummel, Fahrradschläuche und Trachtensocken

Im Rahmen des Seminars fanden auch Workshops statt, in denen etwa das Recycling von Graupappe durch Papierschöpfen Erprobung fand. Das Ergebnis war zwar nicht mit neuwertigen Bögen gleichzusetzen, aber lieferte dennoch einen geeigneten Stoff, um Texturen wie etwa Putze im Modell darzustellen. Auch eher unübliche Materialien wie Zigarettenstummel, Fahrradschläuche oder Trachtensocken dienten der Übermittlung einer architektonischen Idee. Durch die Lehrveranstaltung eröffneten sich für die Studierenden ganz neue Ausdruckswelten abseits der herkömmlichen Materialien.

 

„Die Finnpappe-Tür geht zu und eine neue Welt eröffnet sich.“ Matthias Faul

 


Wettbewerb

Der Wettbewerb richtet sich an Studierende im In- und Ausland und ist in folgende Kategorien eingeteilt:

  • Reused/Recycled
  • Weiterverwendbarkeit
  • Ästhetik
  • Publikumspreis
Am 07. Und 08. Februar 2023 soll in der TU München bereits eine Vorauswahl der eingesendeten Modelle zu sehen sein. Der generelle Einsendeschluss wird am 01. April 2023 sein und die Jurierung und Preisvergabe sind für den 18. April anberaumt.