Von Raumkonzepten für Sexarbeiter*innen bis zu Pferdetreppen: Das Studio A SEAT AT THE TABLE

Demokratie räumlich denken? In einem kollaborativen Prozess mit Berliner Initiativen haben Studierende aus drei Disziplinen Konzepte tatsächlicher Teilhabe erarbeitet.

Wie bildet man Demokratie räumlich ab? Wer beteiligt sich an Entscheidungen, wer bleibt außen vor? Im Studio „A Seat at the Table“ an der Berlin International University of Applied Sciences, geleitet von Prof. Lukas Staudinger  Mitbegründer des Stadtvermittlungsbüros Poligonal in Zusammenarbeit mit Jeannette Riedel und Barbora Demovič, widmeten sich interdisziplinäre Teams von Studierenden aus Architektur, Innenarchitektur und Grafikdesign diesen Fragen. Das Thema: die Gestaltung demokratischer Räume – physisch und virtuell – als Orte der Mitbestimmung und des Dialogs. Sie entwickelten architektonische Konzepte und Kommunikationsstrategien für ausgewählte Berliner Initiativen, angepasst an deren Bedürfnisse. Ihre Entwürfe reichten von Raumkonzepten für Sexarbeiter*innen über digitale Plattformen bis zu Pferdetreppen auf dem inklusiven Bauernhof und wurden in einer öffentlichen Ausstellung im Aedes Metropolitan Laboratory in Berlin präsentiert.

Demokratie als gestalterische Aufgabe

Das Studio folgte einem kollaborativen Ansatz: Sechs interdisziplinäre Teams arbeiteten eng mit lokalen Akteur*innen zusammen und integrierten ihre Perspektiven in den Gestaltungsprozess. Während fünf Gruppen spezifische Projekte mit den Initiativen entwickelten, übernahm eine sechste die kuratorische Gestaltung der Ausstellung und die Kommunikation des Projekts.

Die Studierenden bestimmten ihre Aufgaben im Dialog mit den Initiativen. Dabei entstanden nicht nur räumliche Entwürfe, sondern auch Strategien zur Umsetzung mit begrenzten Ressourcen. Sie analysierten bestehende Strukturen und nutzten sie kreativ um, damit neue Formen der Nutzung und Begegnung zu ermöglicht werden konnten. Der offene Dialograum des Studios bot eine Plattform für Austausch und Reflexion: Diskussionen mit allen Gruppen fanden an einer gemeinsamen Tafel statt – ein Symbol gleichberechtigter Teilhabe. Externe Expert*innen aus Architektur, Grafikdesign und Stadtforschung brachten regelmäßig zusätzliche Perspektiven ein.

Projekte für Teilhabe und Interaktion

Was entsteht also aus einem experimentellen und dialogorientierten Prozess? Ein Beispiel bietet die Zusammenarbeit mit dem Distelhof in Brandenburg. Die Studierenden entwickelten neben einer Pavillonstruktur eine Pferdetreppe, die Kindern mit Autismus oder eingeschränkter Mobilität das Aufsteigen auf Ponys erleichtert – eine langfristige Unterstützung für den Hof.

Ein weiteres Projekt entstand mit OLGA, einer Initiative für Sexarbeiter*innen. Hier gestalteten die Studierenden bestehende Räume mit minimalen Mitteln um. Sie analysierten vorhandene Ressourcen und entwickelten Strategien, um die Räume funktionaler und sicherer zu machen.  Die Gruppe „KIDS AND TEENAGERS SHAPING THEIR OWN CITY“ arbeitete mit ParkourOne an einem urbanen Netzwerk, das durch gemeinschaftliche Nutzung den Stadtteil beleben und ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl schaffen soll.

Eine weitere Gruppe untersuchte in Kooperation mit der Initiative Birds des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) das Zusammenleben von Mensch und Tier im urbanen Raum. Das Projekt „MIGRATION, DIASPORA AND A RIGHT TO STAY“ hingegen entwickelte eine mobile Auktionsplattform als flexible Strategie zur Unterstützung Geflüchteter – begleitet von einer grafisch ausgearbeiteten Vermittlungsstrategie.

Wissen weitergeben, Teilhabe verstärken

Die kuratorische Gruppe konzentrierte sich auf die Vermittlung und Ausstellung der Projekte. Im Laufe des Semesters erforschten sie Konzepte und organisierten die Ausstellung der Studioergebnisse. Dazu gehörten fünf räumliche Interventionen mit begleitenden Kampagnen, architektonische Pläne und Modelle, Forschungsdokumentationen, digitale Medien wie Filme und Apps, Kampagnenmaterialien sowie Ausstellungspublikationen. Der praxisnahe Ansatz in realer Zusammenarbeit bewies, dass nachhaltige Lösungen entstehen können, die über theoretische Entwürfe hinausgehen. Die Projekte bleiben als nutzbare Ergebnisse des Studios bestehen – ein Zeichen, wie wir uns konkret beteiligen können, um die Möglichkeiten gelebter Demokratie im öffentlichen Raum auszugestalten.