Stadt vermitteln: Das Büro Poligonal
Dr. Christian Haid und Lukas Staudinger wollen mit dem Stadtvermittlungsbüro Poligonal der Gesellschaft stadtsoziologische und urbanistische Inhalte zugänglich machen. Dabei stehen Themen wie urbane Transformation, Marginalisierung und Queerness im Fokus.
Wie funktioniert gesellschaftliches Leben im urbanen Kontext? Dieser Frage widmen sich die Architekten und Soziologen Dr. Christian Haid und Lukas Staudinger mit dem Stadtvermittlungsbüro Poligonal. Seit 2018 organisieren sie Stadtspaziergänge, kuratieren Ausstellungen oder Festivals und rufen auf, interaktive Websites mitzugestalten. Die Stimmen von Bewohnenden, politischen Akteur*innen, Nachbarschaftsinitiativen und Expert*innen werden dabei gleichermaßen gehört. Dadurch sind auch nicht-normative Blickwinkel möglich.
Auf Entdeckungsreise durch die Stadt
Wer touristische Attraktionen abklappern möchte, ist bei den Audiowalks von Poligonal fehl am Platz. Auf Spaziergängen durch Berlin, Neuruppin oder Cottbus-Sachsendorf geben interdisziplinäre Redner*innen einen tiefen Einblick in die Geschichte der Orte, das städtische Alltagsleben und urbane Transformationsprozesse. Eine App verortet die Klangbilder auf einer Karte und spielt sie mithilfe von GPS im richtigen Moment ab. In Kooperation mit dem Brücke Museum entstanden zum Beispiel zwei Touren, auf denen Spazierende die Bauwerke des Architekten Werner Düttmann in Berlin entdecken können. Die zwei Audiowalks „The Politics of Public Space“ thematisieren dagegen kritisch den öffentlichen Raum in Zeiten der Pandemie und beleuchten Themen wie Diversität, Digitalisierung, Gender, Obdachlosigkeit, Überwachung und das Recht auf die Stadt.
Queere Erinnerungskultur
Besonders am Herzen liegt den beiden Co-Gründern das Sichtbarmachen von marginalisierten Gruppen. Im Rahmen der Tbilisi Architekturbienniale 2020 entstand so das Projekt „Queering Common Space“, ein lebendiges Archiv, das Erinnerungen und Geschichten von queeren Menschen in gemeinschaftlichen Räumen in Tbilisi und Berlin versammelt. Auf der damit einhergehenden Website können kontinuierlich Texte, Videos, Tonspuren oder Fotos eingereicht werden. Der Audiowalk „Nothing that ever was changes“ vereint Spuren verdrängter queerer Orte in Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf und lässt Protagonist*innen der LGBTQI*+ Community zu Wort kommen. Diese Intention führe das Festival „Constellations“ fort: Im März 2023 erweckten Performances, Live-Musik, Vorträge und Stadterkundungen verloren gegangene, queere Ort in Berlin wieder zum Leben.
Unterwegs in Sachsendorf
Akademisches Wissen ist oft schwer zugänglich. Das Projekt „Mikro Sachsendorf – Nachbarschaft im Dialog“ verfolgte deshalb das Ziel, Erkenntnisse aus der Stadt- und Migrationsforschung den Menschen auf verständliche Art und Weise zu vermitteln, um die es geht: Die Bewohner*innen von Sachsendorf, einem Stadtteil von Cottbus. Die Großwohnsiedlung war Gegenstand zweier Forschungsprojekte vom Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Humboldt-Universität Berlin. Stadterkundungsaktionen, Quartiersspaziergänge, Workshops, Kunst im öffentlichen Raum und eine mehrsprachige Website sollten das Verständnis der Anwohner*innen für Demokratie, Vielfalt und Teilhabe im städtischen Kontext stärken. Ende Februar 2023 kamen bei einer Abschlussveranstaltung schließlich alle Beteiligten zusammen, um über das vergangene Jahr zu reflektieren.