Ja, aber wie? Die Bauakademie-Debatte jetzt abrufbar

Die Diskussion um den Wiederaufbau der Bauakademie geht weiter. Das Symposium „So viel Schinkel wie möglich, so wenig Schinkel wie nötig?“ versammelt zahlreiche prominente Stimmen und Positionen zu der Rekonstruktion von Schinkels Meisterwerk. 

Am 11.02.2023 wurde die Adresse Unter den Linden 1 zum Treffpunkt zahlreicher Akteur*innen der Architekturszene Berlins. Am frühen Abend startete das Symposium „So viel Schinkel wie möglich, so wenig Schinkel wie nötig?“, das namhaften Stimmen die Bühne bot. Organisiert und orchestriert wurde das Symposium vom AIV (Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg e. V.), der TU Berlin und der Baukammer Berlin. Der Anlass: Im Frühjahr 2023 soll der Wettbewerb zur Wiedererrichtung der Bauakademie ausgeschrieben werden. Anlässlich der geplanten Ausschreibung wurde nun ein offener Brief an Bundesbauministerin Klara Geywitz gerichtet, den die TU Berlin verfasst und der von über 30 prominenten Branchenvertreter*innen unterschrieben wurde. Darin empfehlen die Unterzeichner*innen die Auslobung eines „offenen zweiphasigen Wettbewerbs mit niedrigschwelligen Zugangskriterien [...], der in einem ersten Teil vielfältige Ideen im Sinne des Demonstrationsprojektes erlaubt und in einem zweiten Teil die wichtigsten Nachhaltigkeitskriterien und einen innovativen Umgang mit der Rekonstruktionsthematik in einer frühen Phase berücksichtigt und voranbringt.“

Kaum ein Thema hat so viel Raum für Debatten und Kontroversen geboten wie der Wiederaufbau von Karl Friedrich Schinkels 1962 abgerissenem Meisterwerk. Dem Beschluss des Deutschen Bundestags Anfang 2017, das Gebäude der Bauakademie unter dem Motto „So viel Schinkel wie möglich“ wiederzuerrichten, folgte eine heiße Auseinandersetzung mit der Frage des „Wie?“. Im Spannungsfeld zwischen treuer Rekonstruktion und zukunftsweisendem Demonstrationsbau trug das Symposium unterschiedliche, teils gegensätzliche Argumente und Positionen zum Umgang mit Schinkels Erbe zusammen.

Dieter Nägelke, Leiter des Architekturmuseums der TU Berlin, eröffnete die Diskussion mit dem prägnanten Appell, keinen „Fassadenzombie“, sondern einen funktionierenden, möglichst zeitgemäßen Bau zu schaffen. Um das Entstehen eines ahistorischen Hybrides zu vermeiden, betonte Prof. Frank Peter Stephan, Architekturtheoretiker an der FH Potsdam, die aus seiner Sicht einzigen zwei Optionen: Entweder verabschiedet man sich von Schinkel komplett und schafft etwas Neues, oder man würdigt die alte Bauakademie als Monument eines aufgeklärten Humanismus. „Eine Banalisierung Schinkels sollte verboten sein“, so vertrat Julia Dahlhaus die Meinung des Berliner BDA (Bund Deutscher Architektinnen und Architekten) in ihrem Plädoyer gegen Kleinmut und Rückwärtsgewandtheit. Einen nüchternen Blick von außen bot u. a. Prof. Elisabeth Endres, Leiterin des Instituts für Bauklimatik und Energie der Architektur an der TU Braunschweig, indem sie die historisch treue Wiedererrichtung eines fast 200 Jahre alten Baus im Kontext der aktuellen energetischen Anforderungen reflektierte und mit der offenen Frage endete: „Wie wenig ist genug?“

Schinkel Interviews Eike Roswag Klinge, Quelle: Youtube-Kanal AIV zu Berlin-Brandenburg

Die Debatte wird öffentlich weitergeführt. In Vorbereitung der Veranstaltung entstand das neu digitale Pendant Bauakademie.jetzt!, das sich zum Ziel gesetzt hat, 30 Positionen von Vertreter*innen aus der Architekturpraxis und -lehre, dem Bauingenieurswesen und der Politik in Form von Kurzinterviews zu sammeln. Die ersten zehn sind bereits veröffentlicht worden. Das Symposium „So viel Schinkel wie möglich, so wenig Schinkel wie nötig?“ steht zeitversetzt u. a. auf der Website sowie auf dem YouTube-Kanal des AIV zur Verfügung.

Die Vortragenden des Symposiums in alphabetischer Reihenfolge:

  • Julia Dahlhaus, Architektin und Vorsitzende des BDA Berlin
  • Prof. Dipl.-Ing. Elisabeth Endres, Leiterin des Instituts für Bauklimatik und Energie der Architektur an der TU Braunschweig
  • Ephraim Gothe, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung und Facility Management im Bezirksamt Mitte von Berlin
  • Dr.-Ing. Christian Müller, Geschäftsführender Gesellschafter Ingenieurbüro für Tragwerksplanung
  • Dr. Hans-Dieter Nägelke, Leiter des Architekturmuseums der TU Berlin und Beauftragter der Präsidentin der TU für die Neue Bauakademie
  • Prof. i.R. Dr. Fritz Neumeyer, ehem. Architekturtheorie an der TU Berlin
  • Prof. Dipl.-Ing Eike Roswag-Klinge, Leiter Natural Building Lab, TU Berlin
  • Prof. Dr. Wolfgang Sonne, Geschichte und Theorie der Architektur an der Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen der TU Dortmund
  • Prof. Dr. Frank Peter Stephan, Architekturtheorie und Geschichte der Architekturtheorie, Fachhochschule Potsdam
  • Achim Wollschläger, Beauftragter Bau bei der Bundesstiftung Bauakademie