Undichte Stellen und gemeinsame Quellen: Zwei Seminare zum Entwerfen mit Wasser

Springbrunnen und Brücken als öffentliche Räume verstehen oder das Leck im Rohr als gestalterisches Element denken: In zwei Seminaren haben Studierende des Studio Truwant+ Rodet+ Wasserkreisläufe erforscht und damit entworfen.

Unter dem Titel „Cyclical Tales“ ergründeten Bachelor- und Masterstudierende der EPFL Lausanne in zwei aufeinanderfolgenden Seminaren des Ateliers for Continuous Research im Studio Truwant+ Rodet+ das Potenzial von Wasser in der Architektur. Wie aus Wasserlecks Gestaltungselemente werden können, untersuchten die Studierenden im Herbstsemester 2023. Im Frühlingssemester 2024 ging es um Wasser als gemeinschaftliches Gut im urbanen Raum. Beide Seminare verknüpften Theorie und Praxis, um Lösungen zu entwickeln, die Wasser als dynamisches und integrales Element in der Architektur und Stadtentwicklung begreifen.

Increasing the Leak

Statt Lecks nur als Problem zu sehen, erforschte das erste Entwurfs-Seminar „Increasing the Leak“, wie unkontrollierte Wasserbewegungen neue ökologische und räumliche Möglichkeiten eröffnen können. Die Teilnehmer*innen hinterfragten den Anspruch an absoluter Wasserdichtheit und erkannten Chancen in kontrollierter Durchlässigkeit. So könnten Wasserlecks nicht als Fehler, sondern als Impuls für neue Lebensräume, Energienutzung oder soziale Interaktionen dienen.

Auf Grundlage dieser Überlegungen sollten die Studierenden Architekturkonzepte entwerfen, die flexibel auf Veränderungen reagieren und die Dynamik des Wassers einbeziehen. Zudem sollten sie ökologische und historische Aspekte des jeweiligen Ortes berücksichtigen. Es entstanden Ansätze, in denen Wasser seiner eigenen Logik folgend durch die Architektur fließt. 

Common Fountains

Im darauffolgenden Semester rückte unter dem Titel „Common Fountains“ die Re-Integration von Wasser in den öffentlichen Raum in den Mittelpunkt. Das Seminar untersuchte Wasser als gemeinschaftliches Gut, das öffentliche Räume aktivieren kann. Die Lehrenden forderten die Studierenden auf, Wasser als zentrales Element zu begreifen – ornamental, funktional und sozial verbindend. Sie entwickelten Konzepte, in denen ein offener und flexibler Wasserzugang Bestandteil neuer sozialer Räume sein könnte. Das Seminar gliederte sich in drei Themen: hydraulische Systeme (Brunnen), gemeinschaftliche Visionen (Commons) und mögliche Zukünfte. Dabei untersuchten die Teilnehmer*innen den zeitlichen und räumlichen Kontext von Wasser. 

Archiv und Exkursion

Die Entwürfe aller Seminare hatten eines gemeinsam: Die Semesterprojekte drehten sich – neben dem Thema Wasser – fast immer um Transformation im Bestand und flexible Wiederverwendung. Durch diese gemeinsamen Nenner konnten die Studierenden während der Forschungs- und Projektphase umfangreiches Material sammeln und kontextualisieren. Aus den Artikeln, Bildern und Collagen ist ein Archiv für den Arbeitsprozess entstanden. Die Modellarbeit spielte eine große Rolle, um das schwer greifbare Thema Wasser visuell zu erproben.

Neben der Studioarbeit sollte jedoch auch das Wasser in städtischen Strukturen vor Ort untersucht werden. Dafür reisten die Studierenden des „Common Fountains“-Studios nach Berlin –  dem größten Binnenwasserstraßennetz Europas. Im Fokus der viertägigen Exkursion standen die Herausforderungen des Wassermangels und die Notwendigkeit neuer Strategien wie der Schwammstadt. Gleichzeitig beleuchteten sie die Wohnungsnot und wie auch hier Raum am Wasser eine Rolle spielt. Die Gruppe erkundete Berlins polyzentrische Struktur und stieß auf urbane Phänomene wie Frei Ottos Ökohäuser, die schwimmenden Bildungsräume der „Floating“ oder Ludwig Leos rosafarbene Kanalisationen. Insgesamt verdeutlichen die Seminare Truwant+ Rodet+ beispielhaft, wie der Wasserkreislauf zur Grundlage architektonischer Entwürfe werden kann – und wie wir damit künftig forschen, bauen und Visionen erzählen können.