Tradition reinterpretiert: Ein hölzerner Pavillon für Mitwitz

Nach dem Verlust eines traditionsreichen und den Stadtraum prägenden Hauses suchte die bayerische Marktgemeinde Mitwitz nach einer neuen Mitte. In Zusammenarbeit mit Studierenden der HS Coburg entstand ein Pavillon aus Holz, der als Begegnungsstätte und als Ort zum Verweilen einlädt.

Praktische Erfahrungen sammeln und den Menschen etwas zurückgeben: Dieses Ziel verfolgte ein Entwurfsprojekt der HS Coburg im Wintersemester 2021/22. Unter der Leitung von Prof. Markus Schlempp, Studiengangsleiter für den Bachelorstudiengang Architektur, und Prof. Dr. Martin Synold, Studiengangsleiter für Allgemeines Bauingenieurwesen, reichten dreizehn interdisziplinäre studentische Teams Entwurfsvorschläge für einen hölzernen Pavillon ein. Anlass bot die Neugestaltung eines zentralen Platzes in Mitwitz im Rahmen des Modellvorhabens „Ort schafft Mitte“. Entsprechend der ortstypischen Morphologie spannte sich einst der Platz zwischen einer zurückversetzten ehemaligen Scheune und zwei giebelständigen Häusern auf. Der Abriss eines dieser Häuser, eines der ältesten Gebäude der Marktgemeinde, hatte eine Lücke hinterlassen. Ein Neubau soll hier die ursprüngliche stadträumliche Situation wiederherstellen und gleichzeitig die vorgesehene Nutzung als Markt- und Festplatz unterstützen.

Käferholz und Fassadengestaltung

Nach einem Auswahlverfahren wurde schließlich der Entwurf von Cosima Kaiser, Lars Weichselgärtner und Stefanie Werner für die Umsetzung gewählt, der sich durch sein räumliches Tragwerk aus geneigten Dreigelenkrahmen auszeichnet. Diese bestehen aus sogenanntem „Käferholz“. Trockenheit und Käferbefall sind Folgen des Klimawandels, die in den letzten Jahren verstärkt die Wälder und damit auch die Holzbautradition der Region des Frankenwalds bedrohen. Mit dem Pavillon möchten die Studierenden zeigen, dass auch von Käfern befallenes Holz trotz seiner Makel für Tragkonstruktionen geeignet ist. Eine weitere Besonderheit des Entwurfs zeigt sich in der zweigeteilten Fassade. Während das offene Erdgeschoss eine fließende Durchwegung ermöglicht, erlaubt die transluzente Fassade im oberen Bereich eine natürliche Belichtung und gleichzeitig Schutz vor Witterung. Diese Gestaltung erinnert an eine regionale Besonderheit von Mitwitz: Viele traditionelle Gebäude sind hier im ersten Oberschoss mit Schiefer verkleidet, was ebenfalls eine optische Zweiteilung hervorruft.

Ausführung mit vielen Beteiligten

Im Sommersemester 2022 planten die Studierenden mithilfe eines regional ansässigen Tragwerkplanungsbüro die Genehmigung und Ausführung des Pavillons. Außerdem überprüften Studierende des Wahlfachs Architekturfotografie, geleitet von Stefan Meyer, den Entwurf in unterschiedlichen Maßstäben im Modell und hielten ihn fotografisch fest. Gleichzeitig erarbeiteten Studierende der Innenarchitektur in einem interdisziplinären Workshop unter der Leitung von Michael Müller ein Beleuchtungskonzept für die neu gestaltete Platzsituation.

In die Umsetzung ging es schließlich im Wintersemester 2022/23: Die Fundamente wurden vor Ort versetzt, und die Studierenden bauten in den Werkstätten der Hochschule Mockups, um verschiedene Details und das Beleuchtungskonzept im 1:1 auszutesten. Des Weiteren wurden in Zusammenarbeit mit dem Masterstudiengang Digitale Denkmaltechnologien der HS Coburg und mit der Universität Bamberg millimetergenaue Abbundpläne zur Vorbereitung der Holzkonstruktion entwickelt. Diese sind exakt auf die Positionen der Fundamente abgestimmt. Mit der Unterstützung des regionalen Zimmerermeisters Samuel Friedrich konnten die Studierenden das Holz schließlich für die Baustelle vorbereiten. Nachdem am 3. Mai 2023 feierlich das Richtfest stattfand, sollen im August das Dach abgedichtet und die Fassadenelemente montiert werden.