Start-Ups im Studium: Initiative TUM Venture Lab

Architektur und Wissenschaft interdisziplinär in die Industrie einbringen und selbst gründen: Die Möglichkeit dazu sollen Studierende im TUM Venture Lab Built Environment bekommen. Wir haben mit dem Managing Director des Projektes Tobias Förtsch darüber gesprochen, wie die Strukturen eines derartigen Programms aussehen, welche Hintergründe die Initiative antreiben und welcher Wert sich daraus für die Architekturausbildung ergeben kann.

Was können wir uns unter der Initiative TUM Venture Labs vorstellen?

Tobias Förtsch: Die TUM Venture Labs Initiative wurde im Oktober 2020 von der Technischen Universität München (TUM) und dem Gründungsnetzwerk UnternehmerTUM aufgebaut – mit dem Ziel, die Umsetzung von Spitzenforschung in marktfähige Anwendungen zu beschleunigen. Durch die Gestaltung dynamischer Ökosysteme aus Start-Ups, Wissenschaft, Investor*innen und erfahrenen Unternehmen in bedeutenden Technologiefeldern soll die Initiative als Vorbild für die Start-Up-Förderung deutscher Hochschulen dienen. Die integrative Zusammenarbeit der einzelnen Labs hat das Ziel, Innovationen an den Schnittstellen der jeweiligen Technologiefelder zu ermöglichen. Derzeit gibt es bereits elf Venture Labs, die sich auf Technologiefelder wie beispielsweise Software und AI, Robotics oder in unserem Fall des TUM Venture Lab Built Environment auf die gebaute Umwelt konzentrieren. Derzeit betreuen wir bereits rund 200 Gründungsteams, die von Unterstützungsangeboten, Inkubationsflächen, Ausbildungsprogrammen sowie vom Zugang zu globalen Netzwerken aus Unternehmen und Kapitalgeber*innen profitieren.

Was sind die Hintergründe für das TUM Venture Lab Built Environment?

Tobias Förtsch: Der Bau- und Gebäudesektor steht vor massiven Herausforderungen und wird in den nächsten Jahren die größte Transformation seiner Geschichte erleben. Themen wie ökologische Nachhaltigkeit, digitale Prozessoptimierung und spartenübergreifende Kollaboration sind nur einige Bereiche, in denen enormes Innovationspotenzial steckt und bei denen Technologie entscheidend für den Erfolg dieses Prozesses werden kann. Das sollte jedoch immer unter der Voraussetzung stehen, dass die Entwicklung neuer Technologien und Systeme auf die Bedürfnisse des Menschen ausgerichtet bleibt und, dass neue Anwendungen gemäß einer sinnstiftenden Mensch-Maschine-Interaktion entwickelt werden.

Unternehmerisch denkende Studierende, Wissenschaftler*innen, Gründer*innen und Start-Ups sollen in unserem Venture Lab motiviert werden, die gebaute Umwelt, die maßgeblich unsere Realität formt und somit zur Lebensqualität aller beiträgt, aktiv mitzugestalten. Hier würden wir gerne unter anderem die Studierenden aus Architektur, Bau- und Umweltingenieurswesen, Geodäsie und Informationstechnologie einbinden. Besonders diese Studiengänge sind unserer Meinung nach in der Verantwortung, sich frühphasig mit dem Thema Unternehmensgründung und skalierbarer, sinnstiftender Geschäftsmodelle auseinanderzusetzen. Damit geht auch eine Art neues Rollenverständnis einher, das die jungen Gründer*innen dazu befähigen soll, neue Karrierewege einzuschlagen.

Deshalb sind wir stets auf der Suche nach neuen Teams und Personen aus der Wissenschaft, die an Lösungen für die Urbanität der Zukunft arbeiten wollen. Dabei spielen Innovationsprojekte mit erkennbarem Fokus auf Gesellschaft und Umwelt, kommerziellen Absichten und hoher Marktrelevanz eine entscheidende Rolle beim Auswahlverfahren. Die Gründungsidee sollte wissenschaftlich fundiert sein oder durch die Nutzung neuer Technologien begeistern.

Wie ist das Projekt strukturiert, und welchen interdisziplinären Ansatz verfolgen Sie?

Tobias Förtsch: Gemeinsam mit Dr. Christos Chantzaras leite ich seit 2020 als Managing Director das Venture Lab Built Environment. Wir entwickeln die allgemeine Ausrichtung des Labs, gehen aktiv auf Studierende, Wissenschaftler*innen, Professor*innen und Lehrstühle zu und identifizieren Potenziale. In diesem Zuge sind wir auch erster Anlaufpunkt für bereits gegründete Start-Ups im Bereich Bau und Gebäudesektor. Unterstützt werden wir von drei akademischen Direktor*innen, die unseren Teams mit wissenschaftlicher Expertise zur Seite stehen. Den fortgeschritteneren Teams wird von unserer Seite zudem geholfen, erste Kontakte zu Kund*innen in der Industrie zu gewinnen und Finanzierungsmöglichkeiten zu erkennen.

Des Weiteren werden wir von einem Team aus studentischen Hilfskräften unterstützt, die den ca. 300 Quadratmeter großen Venture Lab Co-Creation Space am Stammgelände der TUM betreiben. In den Räumlichkeiten können die Gründer*innen und Teams an flexiblen Arbeitsplätzen oder in Einzelbüros an ihren Ideen arbeiten, sich mit Gleichgesinnten austauschen, erste Geschäftspartner*innen einladen oder eigene Events organisieren. Die Interdisziplinarität durch verschiedene Fachrichtungen wollen wir in unserem eigenen Team fördern und leben.

Wie kann dieses Projekt die Lehre in Architektur und anderen Disziplinen beeinflussen?

Tobias Förtsch: Wir sind fest davon überzeugt, dass unternehmerisches Denken und Handeln in die Architekturlehre sowie in alle anderen gestalterischen Disziplinen stärker integriert werden muss. Obwohl an der TU München eine hohe Anzahl an Architekturbürogründungen zu verzeichnen ist, mangelt es hier oft an Wissen, Fähigkeiten und der notwendigen Einstellung, das eigene Handeln und die erlernten Werkzeuge im größeren Kontext zu betrachten und anzuwenden. Viele Studierende schrecken davor zurück, gesellschaftlichen Mehrwert durch skalierbare Geschäftsmodelle zu generieren und beispielsweise mit einem interdisziplinären Team global und langfristig zu agieren. Es fehlen häufig Inhalte in den Studiengängen und Vorbilder aus der eigenen Disziplin, um ein „Entrepreneurial-Mindset“ zu entwickeln. Das ist in anderen Disziplinen stärker ausgeprägt. Hier setzen wir mit unseren Venture Labs an, die als Schnittstelle zwischen Studierenden verschiedener Fachrichtungen, Gründer*innen und erfolgreichen Unternehmen aus anderen Branchen agieren. Dazu entwickeln wir anwendungsbezogene Lehrformate zum Thema „Entrepreneurial Education for Architects“, Förderprogramme und Workshops für frühphasige Ideen.

Wir setzen uns zudem dafür ein, dass Architekt*innen und Designer*innen viel früher in Start-Ups und deren Prozessen eingebunden werden sowie dafür, dass die gestalterische Kernkompetenz im Gründungsteam eine entscheidende Rolle spielen sollte. Architekturschaffende und Gestalter*innen sind darauf spezialisiert, Probleme auf kreative und innovative Weise zu erkennen und zu lösen. Sie können die Gestaltung von Produkten, Gebäuden, Dienstleistungen und Serviceangeboten funktional, ästhetisch und emotional entwickeln. Diese Fähigkeiten sind für Start-Ups von unschätzbarem Wert und können dabei helfen, echte Alleinstellungsmerkmale zu generieren. Wir verfolgen diesen Ansatz in der Lehre und Ausbildung unserer Studierenden und Start-Ups seit fünf Jahren und die Ergebnisse werden im Venture Lab immer greifbarer und wertvoller.

Was sind eure Ziele? Was würdet ihr euch für die Zukunft wünschen?

Tobias Förtsch: Wir möchten in unserem Lab in erster Linie die Transformation der Baubranche mitgestalten und fördern. Dafür benötigen wir eine neue Art der Kommunikation, innovative Technologien, menschenzentrierte Werte und eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Baukultur.  Wenn wir in zehn Jahren mehrere disruptive und global agierende Bau- oder Immobilienunternehmen sehen, die ihre Anfänge in unserem Lab gemacht haben, dann haben wir unser Ziel erreicht.