Rückzugsorte und Kuschelräume: Die Masterarbeit „Intimate Spaces”
Janosch Pein und Paula Eggert setzten sich in ihrer Masterarbeit an der TU Berlin mit dem Thema Intimität in der Öffentlichkeit auseinander. Dafür intervenierten sie an verschiedenen Orten und schufen Räume, die sowohl Rückzug als auch Zusammenkunft ermöglichten.
Intimität beschränkt sich nicht nur auf familiäre, romantische oder sexuelle Beziehungen. Laut Ara Wilson, Kulturanthropologin und Professorin für Geschlechterstudien, umfasst sie emotionale Orientierungen oder Praktiken, die Menschen als persönlich empfinden, aber auch außerhalb der Privatsphäre stattfinden können und verhandelt werden. Intimität beinhaltet positive Gefühle wie Wohlbefinden, Fürsorge und Gemeinschaft, aber auch Unsicherheiten wie Angst, Scham oder Verletzlichkeit. In unserer Masterarbeit im Sommersemester 2023 haben wir uns damit beschäftigt, wo Intimität überall stattfindet und stattfinden kann. Wie können wir als Planende die Aspekte von Wohlbefinden, Fürsorge und Gemeinschaft berücksichtigen?
Intimität, eine nützliche Kategorie
Eine Herausforderung bei der Betrachtung von Intimität als architektonische Kategorie liegt in ihrer subjektiven Natur und der Vielfalt an Bedeutungen. Intimität ist kein Fachbegriff, und es gibt keine standardisierten Planungsinstrumente, um sie räumlich zu gestalten. Daher entwickelten wir , um zur Erforschung intimer Orte verschiedene Strategien.
Im Rahmen des Seminars Traces of Colonial Spaces von ifa diaspora gestalteten wir einen Flyer, der über die postkolonialen und queer-feministischen Dimensionen des Begriffs informierte. Wir forderten die Besucher*innen der ifa Jahresausstellung 2023 auf, ihren persönlichen intimen Ort in der Öffentlichkeit zu visualisieren. Dabei fiel uns auf, dass Intimität nicht zwangsläufig Rückzug bedeutet. Viele Menschen sehnen sich nach kuscheligen Oasen, Natur oder geschützten Räumen in guter Gesellschaft. Nach einer Analyse und Kategorisierung haben wir einige Orte in kleine Modelle übertragen, um Entwürfe für unsere nächste Intervention zu entwickeln.
(Re)searching Urbanity
Zum zweiten Mal fand im Sommer 2023 das Symposium (Re)searching Urbanity statt, bei dem Künstler*innen, Planende und Interessierte an einem Wochenende über queere, ökologische und postkoloniale Planungspraktiken in der Floating University debattierten. Mit drei Prototypen testeten wir unsere bisherige Recherche in einem öffentlichen Kontext. Wir entwickelten jeweils eine Installation in den Kategorien Rückzug, Nähe und Gewohnheit, um Intimität in der Öffentlichkeit zu ermöglichen und gleichzeitig Besuchende zum Diskurs anzuregen. Kleine Bücher der Intimität dienten an jeder Station als Dokumentation. Dabei ist ein Archiv mit zahlreichen Interpretationen und persönlichen Geschichten entstanden. Neben der Sammlung von Informationen förderten die Bücher auch einen Austausch unter den Besucher*innen.
What is your intimate space?
Mit einem finalen Entwurf wollten wir unsere bisherige theoretische und praktische Arbeit zusammenfassen. Das Symposium (Re)searching Urbanity zeigte, dass es nicht nur darum geht, als Planende einen gut designten Ort zu entwerfen, sondern Handlungsspielräume zu schaffen und diese so zugänglich wie möglich zu gestalten. Wir entwickelten ein modulares Set aus Kissen, Kisten, Stäben und Vorhängen, das wir an einem Nachmittag im Park testeten. Unter dem Motto „What is your intimate space?“ haben wir Freund*innen eingeladen, mit den einzelnen Objekten zu interagieren. Es entstanden unterschiedliche Räume und eine Gruppe, die durch den Austausch und das gemeinsame Ausprobieren enger zusammenrückte.
Mit unserem Projekt möchten wir darauf aufmerksam machen, dass Demonstrationen von Fürsorge, Wohlbefinden und Gemeinschaft persönliche und kollektive Veränderungen ermöglichen können. Da, wo Privatheit in die Öffentlichkeit rückt, kann sie einen Gegenpol zu Machtstrukturen bilden, indem sie Solidarisierung und Netzwerkbildung fördert und gegen soziale Isolation wirkt.
Ein Essay über unsere theoretische Auseinandersetzung wird ab Juni 2024 in der zweiten Ausgabe der Zeitschrift Situation erscheinen.