Die Straße der Obsoleszenzen: Wie Megatrends ländliche Räume verändern

Leerstand und rückläufige Nutzungsmuster sind echte Herausforderungen für den ländlichen Raum. In ihrer Masterarbeit, betreut von Prof. Stefan Rettich und Sabine Tastel, skizziert Christina Klausmann Transformationsstrategien für obsolet werdende Strukturen am Untersuchungsort Landshut.

Gerade dort, wo mit Bevölkerungswachstum zu rechnen ist, sehen sich Kommunen gezwungen, neue Baugebiete am Siedlungsrand auszuweisen. Gleichzeitig stehen vielerorts Gebäude leer und/oder werden obsolet. Das bedeutet, sie werden ihren Ansprüchen nicht mehr gerecht und „veralten“, weil sich Arbeits- und Lebensweisen verändern. Prominente Beispiele geben Gasthöfe ab, die immer dann schmerzlich ins öffentliche Bewusstsein rücken, wenn sie als lebendiger Dorfmittelpunkt schließen.

Kern meiner Masterarbeit war es, diese Obsoleszenzen im ländlichen Raum ganzheitlich zu erfassen. Dabei knüpfte ich an das Forschungsprojekt „Obsolete Stadt“ an.

Obsoleszenz sichtbar machen

Obsoleszenzen begründen sich in Megatrends, die bei Gebäuden zu Nutzungsänderungen und -reduktionen führen. Erforscht habe ich zunächst, welche Megatrends sich besonders auf ländliche Räume auswirken. Das sind unter anderem der Wandel zur Wissensgesellschaft, Digitalisierung, verändertes Mobilitätsverhalten oder auch die zunehmende Verstädterung.

Als geeignet hat sich der Landkreis Landshut erwiesen, den ich hinsichtlich seines „baulichen Gerüsts“, der Siedlungsstruktur, untersuchte. Aus dem Landkreis habe ich 22 Gebäudetypologien abgeleitet, die perspektivisch obsolet werden. Neben den erwähnten Gasthöfen sind dies z. B. Ladenlokale, Gewerbebetriebe, Kirchen und Klöster, Bauernhöfe oder Schlösser. Dabei wirken auf jede Typologie mehrere Megatrends ein.

Mithilfe von Geodaten habe ich sie anschließend verortet und quantitativ erfasst – die Raumpotentiale von morgen wurden nun anhand von Kartierungen sichtbar. Es wird deutlich, dass alle untersuchten Kommunen „betroffen“ sind, manche Typologien häufiger vorkommen und zudem in räumlichen Mustern auftreten.

In der Zukunft wohnen: Transformation des Bestands

Da die Gesellschaft einem stetigen Veränderungsprozess unterliegt, treten genauso neue Raumbedarfe auf, die in die frei werdenden Gebäude einziehen können. Sie sind in fünf Handlungsfeldern zusammengefasst: 1. Klimaanpassung und Gesundheitsversorgung, 2. Third Places, 3. Mobilität, 4. Wirtschaft und Handel sowie 5. Wohnen. Exemplarisch wird dies an einem Zukunftsbild für die Gemeinde Pfeffenhausen aufgezeigt. Entlang der Hauptstraße durch das Dorf sind wichtige Versorgungs- und öffentliche Einrichtungen, Wirtschaftsunternehmen und soziale Orte zu finden. Obsolete Typologien fädeln sich insbesondere hier auf. Die projizierten Umnutzungen sind nicht als konkreter Entwurf, sondern als Ausgangspunkt einer Diskussion zum Flächenmanagement und zur Ressourcenschonung zu verstehen.

Antizipieren statt reagieren

Damit ein Ausstieg aus den beschriebenen kommunalen Zwängen möglich ist, muss Obsoleszenz als Chance erkannt und ganzheitlich betrachtet werden. Denn wenn sich Nutzungen ändern und reduzieren, ergibt sich auch Platz für Neues. Über die Herangehensweise der Megatrends kann antizipiert werden, an welchen Gebäudetypologien die Obsoleszenz klopft. So wird dem Problem des Leerstands begegnet, bevor sich dieser negativ auf die Umgebung auswirkt. Außerdem ist es möglich, Gebiete innerhalb eines Dorfs kohärent zu betrachten, statt nach Einzellösungen zu suchen.