Deserta Ecofolie: Ein Prototyp zum Überleben

Pedro Ignacio Alonso und Pamela Prado präsentieren auf der 19. Architekturbiennale einen Prototyp, der das Leben unter extremen Bedingungen ermöglichen soll: Er ist leicht, intelligent und hat einen minimalen ökologischen Fußabdruck.

Unter dem Titel „Deserta Ecofolie“ präsentierten Pedro Ignacio Alonso und Pamela Prado im Rahmen der Ausstellung „Intelligens. Natural. Artificial. Collective.“ in Venedig eine minimalistische Struktur, entworfen für die extremen Bedingungen der chilenischen Atacamawüste – einem der trockensten Orte der Welt. Im Arsenale zeigten sie einen 16 m² großen Prototypen, der autarkes Leben und Wohnen auf engstem Raum ermöglichen soll. Entwickelt wurde die Struktur in enger Zusammenarbeit mit der Forschungsstation Atacama UC Fog Oasis in Alto Patache. Doch dieser Entwurf versteht sich nicht nur als Wohnhaus. Vielmehr handelt es sich um ein experimentelles Versuchsobjekt: Eine autonome Einheit für zwei Personen, die im „Worst-Case-Szenario“ – ohne Anschluss an bestehende Infrastrukturen – ein Überleben denkbar macht.

Wüste als narrativer Denkraum

Inspiriert ist das Projekt von Reyner Banhams literarischer Reise durch die Wüstenlandschaften des amerikanischen Westens. In seinem Essay „Scenes in America Deserta“ (1982) beschreibt der Architekturkritiker seine persönliche Expedition mit Sonnenbrille, faltbarem Fahrrad und Blick für das Verhältnis von Mensch, Technik und Umwelt. Für Banham beginnt Architektur nicht mit dem Haus, sondern mit der Fähigkeit, unter extremen Bedingungen zu bestehen. Die Wüste wird für ihn zum Denkraum – radikal, leer, technologisch.

„Deserta Ecofolie“ nimmt diesen Gedanken auf und überträgt ihn auf eine neue Klimazone – mit einem Fokus, der über die physische Struktur hinausweist. Nämlich als Verweis auf ein anderes Verständnis von Architektur, das nicht bei der Form, sondern beim Überleben beginnt.

Technik als Werkzeug zum Überleben

Wie viel Technik braucht der Mensch zum Überleben? Die Ecofolie ist als vollständig autarke Einheit konzipiert und ausgestattet mit einer Reihe sogenannter „ökotechnischer Objekte“, die das Überleben unter extremen Bedingungen möglich machen soll. Alles, was hier geschieht, passiert netzunabhängig: Nebelfänger ziehen Feuchtigkeit aus der Luft, eine Wasserwand verwandelt Nebel in Trinkwasser, photovoltaische Zellen und eine kleine Windturbine liefern Energie. Ergänzt wird das System durch eine Trockentoilette und energieoptimierte Küchengeräte, die auf minimalen Wasser- und Stromverbrauch ausgelegt sind. Ein integrierter Wasserkreislauf nutzt die Ressource in drei Phasen: Zuerst dient sie dem menschlichen Konsum, dann als Grauwasser für sanitäre Nutzung und schließlich zur Bewässerung essbarer Pflanzen auf dem Dach. In Kombination mit Wind- und Solarenergie sowie lokaler Nahrungsmittelproduktion erreicht die Ecofolie eine kohlenstoffnegative Bilanz – sie absorbiert mehr CO₂, als sie produziert.

Die Deserta Ecofolie vergleicht dabei die Effizienz verschiedener Wassersammelsysteme – etwa Nebelfänger versus Kühlflächen zur Luftkondensation. Damit wird der Prototyp selbst zum Forschungsinstrument, das das Verhältnis von Energieeinsatz zu Wasserausbeute in Echtzeit misst. Dabei verschwimmen die Grenzen: Der Bau ist Unterkunft und Klimadiagramm zugleich.

Materialien für extreme Bedingungen

Das Klima der Atacamawüste – geprägt von geringer Luftfeuchtigkeit, starken Temperaturschwankungen und bis zu 90 % täglicher Sonneneinstrahlung – stellt höchste Anforderungen an die Gebäudehülle. Die Fassade der Struktur basiert auf aktuellen Forschungsergebnissen des Centre for Industrialized Architecture (CINARK) in Kopenhagen. Verwendet werden vorgefertigte Kassetten, die Reet mit Seegras, Lehm und Kork kombinieren. Diese biogenen Materialien sind nicht nur erneuerbar, sondern auch besonders widerstandsfähig gegen das raue Klima der Atacamawüste. Sie bieten Schutz gegen starke UV-Strahlung, hohe Temperaturschwankungen und extreme Trockenheit. Zudem lassen sie sich rückstandslos demontieren und wiederverwenden. 

Extreme als Entwurfsstrategie

Deserta Ecofolie steht exemplarisch für eine Architektur, die sich den Herausforderungen des Extremen stellt. Die Wüste wird als Ort verstanden, der technische Systeme, Materialwahl und räumliche Konzepte gleichermaßen prüft. Zudem ist die Struktur nicht nur ein architektonisches Experiment, sondern auch das Produkt internationaler Zusammenarbeit. Neben der Universidad Católica de Chile und Summary Architects waren das portugiesische Kollektiv Artworks an Planung und Umsetzung beteiligt. Produziert wurde der Prototyp in Portugal. 

Darüber hinaus spiegelt die Deserta Ecofolie den Geist des diesjährigen Biennale-Themas wider: Architektur als bewusstes Handeln im Spannungsfeld von Technologie, Klima und Verantwortung. Banham hätte vermutlich sogar zugestimmt.