Demonstrativ lehren und forschen: Das Living Lab NRW

Im Sommer 2022 bauten die Teams des Solar Decathlon Europe in Wuppertal 16 Demonstrator-Bauten. In acht davon wird hier nun in einem Forschungscampus praxisnah geforscht und gelehrt – und bald für eine Woche lang in unserer Sommerschule gelebt.

Am Objekt forschen, es aufnehmen und überlegen, was damit in Zukunft passieren kann – das ist auf einem Campus aus Forschungshäusern an der Nordbahntrasse in Wuppertal möglich. Das Living Lab NRW des Lehrstuhls „Bauphysik und Technische Gebäudeausrüstung“ der Bergischen Universität Wuppertal dient als Plattform für Forschung und Bildung im Bereich des klimaneutralen und nachhaltigen Bauens in urbanen Umgebungen. Entstanden ist es durch die Projekte des Wettbewerbs „Solar Decathlon Europe 21/22“. Die verantwortlichen Teams errichteten im Sommer 2022 insgesamt 16 Demonstrationsgebäude in Wuppertal. Acht dieser Gebäude wurden von einer Fachjury ausgewählt und blieben nach dem Wettbewerb als öffentlich begehbare Forschungs- und Ausstellungsobjekte erhalten. Nach einem Umbau werden sie zudem für mindestens drei Jahre als Campus des Living Lab NRW genutzt. Weiterhin wird das Gelände samt Demonstrationsbauten das Zuhause unserer Sommerschule „Wert der Dinge“ sein, die wir vom 11. bis 18. September 2024 gemeinsam mit den Beteiligten ausrichten.

Erlebbare Forschungsstation

Im Living Lab NRW wird der Ansatz verfolgt, Lehre und Forschung miteinander zu verbinden und schließlich durch Begehungen, Vorträge und Schulungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Seit Oktober 2022 beschäftigen sich außerdem fünf Doktorand*innen verschiedener Hochschulen NRWs in einem vom MWIKE geförderten Forschungskolleg intensiv mit den Demonstrationsbauten. Das vielfältige Portfolio der Forschungsthemen, die am Reallabor angesiedelt sind, legt Schwerpunkte auf Bauphysik und Gebäudetechnik. Beispielsweise wird hier daran geforscht, wie schnell sich auf eine bestimmte Temperatur aufgeheizte Gebäude wieder abkühlen. Im Winter wurden dazu Messreihen durchgeführt, die Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Tageslicht in den Gebäuden erfassten. Des Weiteren werden in den Bauwerken kleinere Versuchsreihen durchgeführt, die sehr praktische Fragestellungen behandeln. Zum Beispiel führen die Forschenden Studien zum Tageslicht durch. Andere Versuche nehmen das Mikroklima auf den unterschiedlich gestalteten Terrassen der Häuser in den Fokus. Ziel dieser Untersuchungen war es, signifikante Veränderungen in Bezug auf die Fassaden und Wohnräume zu messen.

Lehren und Lernen im Reallabor

Die Lehre am Living Lab NRW verbindet Theorie mit Praxis, insbesondere für Studierende der Architektur und des Bauingenieurwesens an der Bergischen Universität Wuppertal sowie berufsbegleitend für den Weiterbildungsstudiengang „Nachhaltiges und ressourcenschonendes Bauen“ (SUM). Dabei ist es besonders wertvoll, dass die Studierenden nicht nur PowerPoint-Präsentationen und Fotos von Baustellen sehen, sondern die Materialien vor Ort anfassen können. Auf dem Forschungscampus haben sie zudem die Möglichkeit, Simulationen mit realen Messungen zu vergleichen. Vor allem im Bereich des privaten Wohnungsbaus sind solche Messungen oftmals nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Dieser Vergleich ist besonders wichtig, da die alleinige Verwendung von Simulationssoftware an Universitäten zu einer Diskrepanz zwischen theoretischen Annahmen und praktischen Ergebnissen führen kann. Die Arbeit auf dem Forschungscampus bietet den Studierenden die Gelegenheit, ein tieferes Verständnis der Zusammenhänge zu bekommen, theoretisches Wissen anzuwenden oder Fehler zu suchen, plausible Erklärungen zu finden und sie zu beheben.

Den „Wert der Dinge“ auseinandernehmen

Ein großer Teil der Lehre und Forschung am Living Lab NRW befasst sich mit dem Umbau und Rückbau der vorhandenen Strukturen, die von Anfang an als kreislauffähig konzipiert wurden. Die Forschungsteams untersuchen dabei zum Beispiel, ob die Umsetzung der Planungen gelungen ist, analysieren mögliche Fehlerquellen oder eruieren, wie kleinteilig rückgebaut werden kann. Der Campus bietet Forschenden und Studierenden ein ganzes Gelände, auf dem Urban Mining betrieben werden kann. Dabei steht der Praxisbezug und ein perspektivischer Umgang mit diesem Ort und seiner Substanz im Vordergrund. Mit unserer gemeinsamen Sommerschule im September 2024 wollen wir genau hier anknüpfen und uns unter anderem mit dem Wert dieser bestehenden Strukturen und ihrer Bauteile auseinandersetzen. Dazu werden die 30 Teilnehmer*innen in den Simulationsbauten auf dem Gelände schlafen, essen und sie hautnah erleben können.