Das Ruhrgebiet durchs S-Bahn-Fenster: Potenziale des Nahverkehrs
Die Abschlussarbeit von Linus Hermann wirft einen städtebaulichen Blick auf die S-Bahn-Infrastruktur der Region mittels drei Formate: ein Kartenset, ein Abecedarium und ein Video.

Das Ruhrgebiet – Deutschlands größter Ballungsraum, Zentrum der Blauen Banane, die Megacity Ruhrstadt. Diese Superlative lassen eine dicht bebaute Städtelandschaft vermuten, vernetzt durch einen effizienten öffentlichen Nahverkehr. Doch prägt das Auto den Verkehr im Ruhrgebiet. Keine andere europäische Metropolregion ist so sehr auf den Pkw angewiesen, wie die Städte an Rhein und Ruhr. Die S-Bahn Rhein-Ruhr ist dabei das einzige städteübergreifende öffentliche Verkehrsmittel, das die polyzentrische Struktur verbindet und somit zum Schlüssel für eine klimagerechte Zukunft der Region wird.
Die Masterarbeit „Trassen. Mit dem Wendezug durch das Ruhrgebiet“ untersucht anhand der Linie S9 die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der S-Bahn als Stadtbaustein im Ruhrgebiet. Sie gliedert sich in drei Teile und Formate auf: ein Kartenset, ein Abecedarium und ein Video.

Navigation durch die Emscherebene
Drei Karten führen räumlich, zeitlich und inhaltlich durch die Arbeit. Eine Schienennetzkarte verortet den Untersuchungsraum im aktuellen und potenziell zukünftigen Bahnnetz des Ruhrgebiets. Der räumliche Ausschnitt der S9-Karte verdichtet die Ergebnisse von Feldforschungen und Spaziergängen und vermittelt zwischen Video und Abecedarium, indem sie Entwürfe und Drehorte lokalisiert. Die aktuelle Situation der Ruhrschiene wird in den zeitlichen Kontext der Geschichte des Personenverkehrs gestellt. So sind frühere Entscheidungen und ihre Folgen sichtbar – und bieten Lehren für die Zukunft.

26 Wege, die Ruhrschiene zu betrachten
Die Eisenbahn im Ruhrgebiet ist mehr als ein Verkehrsmittel. Sie vereint lineare Trassen und punktuelle Bahnhöfe, Wunsch und Wirklichkeit, soziale Treffpunkte und kulturelle Bedeutung – oder deren Fehlen. Dieses vielschichtige Gefüge reicht weit über die Mobilitätsfunktion hinaus. Bisherige Abhandlungen betrachten meist nur einen Ausschnitt dieser Facetten. Deshalb versucht die in der Arbeit entstandene Sammlung, alle verschiedenen Aspekte darzustellen. Um einer gleichwertigen Betrachtung gerecht zu werden, wurde als Format das Abecedarium gewählt. Dieses Medium erschließt die Eisenbahn im Ruhrgebiet ähnlich wie das reale Verkehrsmittel und ermöglicht eine strukturierte Betrachtung: Jede Station eröffnet hinter ihrem Namen eine komplexere Wirklichkeit, die es weiter zu entdecken gilt. Individuell verknüpft, entstehen neue Realitäten im Ganzen.

Ein Eisenbahnspaziergang von Hattingen nach Haltern
Das Abecedarium verdeutlicht, dass sich der verkehrliche Status quo im Ruhrgebiet nur durch die Bearbeitung und Verknüpfung vielfältiger Faktoren verändern lässt. Schließlich scheiterten saubere Lösungen in Form von Masterplänen und Großprojekten in der Vergangenheit an der politisch-bürokratischen Zersplitterung des Ruhrgebiets – und werden es wohl auch künftig tun. Ein Video schlägt deshalb eine Alternative vor.

Dem perspektivischen Inkrementalismus der IBA Emscherpark folgend, sind die im Video gezeigten Entwürfe Vorschläge zur Verbesserung des Ortes S-Bahn Rhein-Ruhr. Einzelne kleine Eingriffe verknüpfen die spezifischen „Buchstaben“ des Abecedariums mit den Orten der Bahn. So steht das die Arbeit abschließende Video als Aufforderung und Beispiel für einen neuen Blick auf das Ruhrgebiet und seine Trassen.