„Crown it all“: Über den Dächern von Berlin

Was bedeutet es, einem Gebäude eine Krone aufzusetzen? Architekturstudierende aus Dresden entwickelten Konzepte für die Nachverdichtung auf bestehende Wohnbauten.

Einer der Kernpunkte des modernistischen Architekturgedankens war die Möglichkeit, ein flaches Dach auszubilden für die Gewinnung zusätzlich nutzbaren Raumes. Im Grunde genommen können diese Dachflächen als erhöhte Bauplätze weitergedacht werden. Wie man diese Potenziale vor der Frage der aktuellen Wohnungsnot in Berlin nachhaltig ausschöpfen könnte, hat an der TU Dresden der Entwurfskurs „Crown it all“ im Sommersemester 2023 untersucht. Am Lehrstuhl für Grundlagen des Entwerfens von Prof. Jörg Joppien beschäftigten sich Architekturstudent*innen unterschiedlicher Semester mit der Aufstockung von vier Wohnhäusern im Berliner Hansaviertel. Am Rande des weltberühmten „Interbau“-Geländes aus den 1950er Jahren entstanden die Bauten wenige Jahre später nach einem Entwurf von Peter Poelzig. In der Tradition der experimentierfreudigen und hochkarätigen Betonjuwelen der Nachbarschaft sollten die Studierenden im Kurs für die zurückhaltend gestalteten Wohnblöcke in der Flensburger Straße einen funkelnden Aufsatz schaffen.

Vom Ornament zur Architektur

Wie der Titel des Kurses bereits verrät, spielten Kronen eine zentrale Rolle während des Semesters – metaphorisch als auch konkret. Mehrere Vorübungen leiteten aus der Wesenhaftigkeit einer Krone Erkenntnisse über die Umgebung des Grundstückes als auch der Aufgabenstellung ab. So waren bei der Ortsbegehung eindrückliche Details des Hansaviertels aufzunehmen und in einfache Abstraktionen zu überführen, sodass eine Art kronentypische Ornamentik entsteht. Im nächsten Schritt schrieben die Kursteilnehmer*innen kurze personifizierende Geschichten über die Bauwerke, um herauszufinden, welchem „Charakter“ sie die im nächsten Schritt angefertigte Krone aufsetzen würden. Bei dieser Aufgabe bekamen die Studierenden die Unterstützung von der Juniorprofessorin Theda Nilsson-Eicke von der Hochschule für bildende Künste Dresden und Ihrem Partner Julian Nilsson-Eicke. Die so entstandenen Objekte wurden dann in der weiteren Bearbeitungsstufe zu abstrakten Volumina ausgearbeitet, die wiederum die Grundlage für die Entwicklung der architektonischen Intervention bildeten.

Krone für alle

Darüber hinaus gab das Lehrangebot Einblicke in die reiche Geschichte von Kronen als Symbole von Macht und Prestige. Doch diese Botschaft sollte im Kurs eine Umdeutung erfahren: Ist das Tragen einer solchen Kopfbedeckung einem erlauchten Kreis vorbehalten, setzt das Projekt auf die Demokratisierung der Krone. Die Aufstockungen der Häuser sind bewusst nicht als luxuriöse Penthäuser entworfen – eine Assoziation, die sich freilich aufdrängt beim Gedanken an Rooftop-Developements. Das Kursprogramm verlangte allerdings, dass sich die Entwürfe an der aktuellen Stadtentwicklungs-Leitlinie von Berlin orientieren, die eine vielfältige und sozial durchmischte Stadtentwicklung fordert: „Berlin braucht Wohnungsneubau für alle“.

Diesen Anforderungen haben die Studierenden vor allem über die Gestaltung der Grundrisse und des sozialen Miteinanders im Gebäude gestellt. Am 19. Januar 2024 waren die Entwürfe in einer Ausstellung im Hansaviertel für die Öffentlichkeit und die Nachbarschaft einsehbar.