Blick durch die Linse: Das Seminar „Wohnen: On Site“
Wie beeinflusst die gebaute Umgebung unser tägliches Leben? Im Forschungsseminar „Wohnen: On Site“ entdecken Studierende der TU Wien die Stadt mit der Kamera neu.

Wie verändert sich unser Blick auf den Raum, wenn wir ihn durch eine Kamera wahrnehmen? Diese Frage stellte sich eine Gruppe von 16 Architekturstudierenden an der TU Wien. Im Forschungsseminar „On Site – Architektur und Fotografie“, geleitet von Zara Pfeifer, begaben sich die Studierenden mit der Kamera auf eine Entdeckungsreise – nicht nur zu Gebäuden, sondern zu den Geschichten, die dahinter stecken. Die Kamera diente ihnen als Medium, um mit Anwohner*innen ins Gespräch zu kommen, Perspektiven einzufangen und die Historie eines Ortes sichtbar zu machen.

Fotografie als Forschungsinstrument
Das Seminar gliederte sich in zwei Phasen. In der ersten Phase tauchten die Teilnehmenden eine Woche lang intensiv in das Thema ein. Tagesexkursionen führten sie unter anderem nach Alt Erlaa und ins Studio der Fotografin Bianca Pedrina. Parallel dazu begann jede*r, sich einen spezifischen Ort auszusuchen und ihn täglich zu erkunden. Die Kamera wurde dabei zur Erzählerin: Sie hielt flüchtige Momente fest, machte unbewusste Routinen sichtbar und dokumentierte Erinnerungen, die sich in die Architektur einschreiben. In der zweiten Phase vertieften sie ihre Auseinandersetzung mit dem gewählten Ort und bereiteten die abschließende Ausstellung vor.

Wohnen neu betrachtet
Wie beeinflusst Architektur unseren Alltag? Die Studierenden näherten sich dieser Frage aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Sie begannen im Kleinen – im eigenen Zimmers mit Momenten wie dem Wäscheaufhängen oder dem Blick aus dem Fenster. Von dort aus weiteten sie ihre Perspektive auf gemeinschaftliche Bereiche: Treppenhäuser, Innenhöfe, ehemalige Werkstätten, die sich in Wohnräume verwandelten. Darüber hinaus beobachteten sie Transformationen wie etwa eine zur Wohnnutzung umgebaute Bank oder ein ehemaliges Gewächshaus, das nun Papageien als Schutzstation dient.

Räume und ihre Geschichten
Im Laufe des Semesters entstanden Bildserien, die über reine Architekturaufnahmen hinausgehen. Ein Beispiel für diese Annäherung ist das Projekt „Behind the Counter“ von Selin Onay. Sie begleitete einen Dönerverkäufer von seiner Arbeitstheke bis in sein Zuhause – eine fotografische Erkundung, die intime Einblicke in seinen Alltag ermöglicht. Durch die enge Zusammenarbeit entstanden Gespräche, die sich in den Bildern widerspiegeln und den Raum auf eine ganz persönliche Weise erzählen. Ein anderes Projekt, „Stille Skulpturen“ von Anna Tancredi, widmete sich dem Akt des Wäscheaufhängens. Was auf den ersten Blick banal wirkt, entpuppte sich als vielschichtiges Moment des Wohnens: Jede*r hat eine eigene Technik, vollzieht ein eigenes Ritual. Die in den Fotografien eingefangenen Begegnungen zeigen, wie und warum Menschen auf bestimmte Weise wohnen – und machen die facettenreichen Beziehungen zwischen Raum, Alltag und Persönlichkeit sichtbar.