Bauen mit Falten: Das Forschungsprojekt „Unfold Form“
Faltbare Schalungen für Beton – klingt unmöglich? Das Forschungsprojekt „Unfold Form“ von Lotte Scheder-Bieschin zeigt, wie faltbare Schalungen das Bauen mit Beton klimafreundlicher gestalten können.

Beton baut die Welt – und belastet das Klima. Als meistgenutzter Baustoff verursacht seine Herstellung immense CO₂-Emissionen. Besonders problematisch ist der hohe Materialverbrauch: Um Zugspannungen aufzunehmen, wird Beton oft mit Stahl verstärkt, was den ökologischen Fußabdruck zusätzlich vergrößert. Doch es geht auch anders.
In diesem Kontext setzt das Forschungsvorhaben der Architektur-Doktorandin Lotte Scheder-Bieschin an der Block Research Group (BRG) der ETH Zürich an. Ihr System „Unfold Form“ nutzt eine in Falten gelegte Konstruktion als Schalung für dünne Fächergewölbe aus unbewehrtem Beton. Das Ziel: eine leichte, wiederverwendbare Alternative zu herkömmlichen Betonschalungen mit komplexen Geometrien zu schaffen, die weniger Bauabfall verursacht, geringere CO₂-Emissionen erzeugt und somit eine nachhaltige Deckenlösung ermöglicht.
Forschende der BRG zeigen seit Jahren, dass stabiler Bau mit weniger Beton möglich ist. Ein weiteres Beispiel: Eine an der ETH entwickelte 3D-gedruckte Schalung ermöglicht in Betondecken den Materialverbrauch um 70 Prozent gegenüber einer Standard-Stahlbetonplatte zu reduzieren, indem Beton gezielt nur dort eingesetzt wird, wo er statisch erforderlich ist.

Die Kraft liegt in der Kurve
Wie kann eine Schalung gleichzeitig stabil, leicht und wiederverwendbar sein? Diese Frage ließ Lotte Scheder-Bieschin nicht los. Ausgangspunkt ihrer Forschung waren einfache Papiermodelle, mit denen sie Falttechniken untersuchte, die es ermöglichen sollen, das Konzept des Curved-Crease Folding (CCF: Faltung entlang einer Kurve) auf Tragwerke zu übertragen. Die Herausforderung besteht darin, dass klassische Falttechniken eine große Fläche durch Faltungen immer weiter verkleinern. Im Bauwesen hingegen werden großformatige Strukturen benötigt, die dennoch transportfreundlich sein müssen. Der Durchbruch gelang, als sie die Faltung umkehrte: Statt eine flache Fläche zu verkleinern, entwickelte sie ein System, das von einer gestapelten Form ausgeht und sich durch Auffächern in eine gebogene Struktur überführt – ähnlich wie ein Fächer. Ihr System nennt Scheder-Bieschin in Anlehnung an das CCF „Curved-Crease Unfolding (CCU)“.

Die Schalung als tragendes System
Der Wechsel zu einer tragfähigen Schalung erforderte einen neuen konstruktiven Ansatz. Ein einzelner Holzstreifen wäre unter Last zu instabil und unkontrollierbar in seiner Verformung. Doch durch das Verbinden mehrerer Streifen entlang einer geschwungenen Kante entsteht eine deutlich höhere Steifigkeit. Das sorgt dafür, dass sich die Schalung unter der Last nur minimal verformt und gezielt die gewünschte Endform annimmt. Die resultierende unbewehrte Gewölbedecke spart bis zu 60 Prozent Beton und bis zu 90 Prozent Stahlbewehrung.
„Unfold Form“ überträgt dieses Prinzip auf großformatige Schalungen: Dünne Sperrholzstreifen, verbunden durch flexible Textilscharniere, entfalten sich in eine zackenförmige Struktur, die als Gussform für den Beton dient. Nach dem Aushärten kann die Schalung mühelos entfernt, zusammengefaltet und erneut verwendet werden. Die Schalung eines Prototyps mit nur 24 kg Eigengewicht kann bis zu 1 Tonne nassen Beton tragen.

Vom Hönggerberg nach Südafrika
Neben dem finalen Prototyp im Robotic Fabrication Laboratory (RFL) auf dem Hönggerberg, der eine Spannweite von 3 × 1,8 Metern aufweist, wurde ein zweiter, identischer Betonbau in Südafrika realisiert. Die Schalung ließ sich problemlos transportieren, und der Prototyp wurde in Zusammenarbeit mit der lokalen Firma NonCrete gegossen, die sich auf Biobeton und nachhaltige Bauweisen spezialisiert. Zudem stellt „Unfold Form“ mit Materialkosten von 650 CHF eine kostengünstige und nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Betonschalungen für ressourcenarme Regionen dar.