Aus der Komfortzone schwitzen: Das DesignBuild-Projekt Architecture After Comfort

Komfort ist unsichtbar – bis wir ihn verlieren. Studierende der TU Wien hinterfragten die Komfortzone und wagten das Experiment mit Hitze, Kälte und einer selbstgebauten Sauna.

Heizen, Kühlen, Lüften – moderne Gebäude sind perfekte Maschinen des Wohlbefindens. Welche körperliche Erfahrung ist in Räumen, die konstant auf 23 Grad temperiert sind, möglich? Das Projekt Architecture After Comfort von Jakob Sellaoui am Lehrstuhl für Gebäudetheorie by Design der TU Wien hinterfragte diese Fixierung auf Komfort. Zunächst setzten sich die Studierenden mit der Theorie des Komforts auseinander – seiner Herkunft, Bedeutung und Auswirkungen. Anschließend bauten sie im letzten Winter eine Sauna: einen Ort, der die gewohnte Komfortzone bewusst herausfordert.

Wenn Komfort zur Ware wird

Aufbauend auf Daniel Barbers Text „After Comfort“ analysierten die Studierenden den thermischen Komfort aus verschiedenen Blickwinkeln. Wie beeinflusst er unsere Körperwahrnehmung und unser Wohlbefinden? Wie viel Unbehagen können wir in unseren Häusern, Büros, Schulen und Institutionen ertragen? Denn Komfort ist nicht nur eine Frage des Wohlbefindens, sondern auch der Ressourcennutzung. 

Komfort wird industriell erzeugt. Unsere Abhängigkeit von HLK-Systemen (Heizung, Lüftung, Kühlung) treibt den Energieverbrauch in die Höhe und verstärkt geopolitische Abhängigkeiten. Die Studierenden untersuchten Wiens Abhängigkeit von russischem Gas, das über Pipelines transportiert wird, die Landschaften zerschneiden und wirtschaftliche sowie politische Abhängigkeiten vertiefen. Zudem betonten sie die ungleiche Verteilung: Während wohlhabendere Gruppen sich teure „grüne“ Technologien wie Elektroautos, Wärmepumpen und moderne Dämmstoffe leisten, müssen ärmere Bevölkerungsgruppen mit ineffizienten, emissionsintensiven Lösungen auskommen. Die zentrale Frage lautet daher nicht nur, wie wir nach dem Kohlenstoff leben, sondern auch, wie wir nach dem Komfort leben – mit angepassten Wünschen, Kompromissen und schwierigen Entscheidungen. 

Lernen durch Kälte und Hitze

In einem einwöchigen DesignBuild-Workshop traf die Theorie auf die Praxis: Auf der Kleinen Stadtfarm in Wien, einer gemeinschaftlich geführten urbanen Landwirtschaftsstätte, errichteten die Studierenden eine Sauna aus wiederverwendeten Materialien. Die Konstruktion bestand aus Holz, Heuballen dienten als natürliche Dämmung. Das Herzstück war ein selbstgebauter Saunaofen, der Steine direkt im Feuer erhitzte. In der Winterkälte und der intensiven Hitze der Sauna erlebten die Teilnehmenden ihre körperlichen Grenzen neu und hinterfragten ihre Vorstellungen von Komfort. Am Ende entstand nicht nur ein Ort des kollektiven Schwitzens, sondern auch eine Erkenntnis: Unbehagen ist kein Feind der Architektur, sondern ein Werkzeug, um Räume neu zu denken.

Die Sauna als Gegenentwurf

Saunas fordern seit Jahrhunderten die menschliche Komfortzone heraus. Die Hitze zwingt den Körper zur Anpassung, beeinflusst Wahrnehmung und Verhalten. Hier wird Architektur nicht mehr als bloße Hülle verstanden, sondern als Medium physischer Erfahrung. Was passiert, wenn Architektur nicht nur Annehmlichkeiten bietet, sondern gezielt Unbehagen provoziert? Unbehagen ist nichts Negatives, wenn es bewusst gestaltet, gemanagt und wünschenswert gemacht wird. Wir werden uns ohnehin unwohl fühlen – ob absichtlich oder unabsichtlich – da die Folgen der sich wandelnden Umwelt immer spürbarer werden. Warum also nicht jetzt damit beginnen?