Architektur studiert – und dann? Alternative Berufswege im Ungarischen Pavillon

„There Is Nothing to See Here“ – Unter diesem Titel macht der ungarische Beitrag zur Biennale 2025 in Venedig alternative Berufswege und Perspektiven von Architekturstudierenden sichtbar und zeigt, warum Zweifel, Mut und neue Blickwinkel heute wichtiger sind denn je.

Was passiert, wenn Architekt*innen sich gegen die Arbeit im Planungsbüro entscheiden? Diese Frage stellt Kurator Márton Pintér mit der Ausstellung „There Is Nothing to See Here. Export your Knowledge!“ , die aktuell im ungarischen Pavillon der 19. Architekturbiennale in Venedig gezeigt wird. Wir haben mit Pintér gesprochen, um seine Methoden, den Hintergrund der Ausstellung und seine Zusammenarbeit mit Studierenden besser zu verstehen.

Kuration mit persönlichem Background

Der individuelle Werdegang des Kurators prägt die Ausstellung maßgeblich. Früh entschied er sich gegen eine klassische Architektenkarriere. Der ungarische Architekturmarkt erschien Márton Pintér nach eigener Aussage zu stark auf das reine Entwerfen fokussiert – mit wenig Raum für konzeptionelle oder forschungsorientierte Ansätze. Diese Erfahrung führte ihn zur Gründung seines experimentellen Büros: Very Good Office. Die Grundlage für die Ausstellung auf der Biennale bildet seine Forschung zum Berufsbild Architekt*in. Dafür interviewte er dreizehn ungarische Persönlichkeiten, die ihr Architekturstudium abgeschlossen, aber beruflich neue Wege eingeschlagen haben – sei als Musiker*in, Wissenschaftler*in oder Erfinder*in. Ihre Geschichten werden zusammen mit Ratschlägen für angehende Architekt*innen im Pavillon auf großflächigen Panels ausgestellt.

Was bewegt den Architektur-Nachwuchs?

Einen zentralen Teil der Ausstellung bildet die erste umfassende Umfrage unter Architekturstudierenden in Ungarn. Pintér und sein Team besuchten acht Universitäten und sammelten anonymisierte Antworten von 309 Studierenden. Bis dahin hatte es keine vergleichbare Erhebung gegeben, weder von staatlicher Seite noch von den Hochschulen selbst. In ihren Antworten wird deutlich: Diese Generation sieht sich mit einer Architektur konfrontiert, die auf die Klimakrise, ökonomische Zwänge und kulturelle Verantwortung reagieren muss. Viele der Befragten zweifeln an der Vorstellung, dass Architekt*innen vor allem Gebäude produzieren. Stattdessen formulierten sie den Wunsch, gesellschaftlich wirksam zu sein – sei es durch Gestaltung, Forschung oder interdisziplinäre Arbeit. Die Ausstellung greift diese Perspektiven auf und macht ihre Antworten sichtbar: in Texten, Farben und räumlichen Setzungen.

Von der CAD-Zeichnung ins Leben

Als würde man sich durch eine CAD-Zeichnung bewegen, inszeniert sich der Pavillon als fiktionale Bürolandschaft. Der Mensch erscheint hier quasi als Staffage in seiner eigenen Arbeitswelt – funktional, eingespannt und entindividualisiert. Die „Roten Männchen“ sind eine Hommage an das Büro OMA, bei dem Pintér einst ein Praktikum absolvierte und das seit den 1980er-Jahren rote Figuren in ihre Zeichnungen einsetzt. Die Ausstellung will so die strukturellen Zwänge visualisieren, denen Architekt*innen heute gegenüberstehen, und plädiert zugleich für eine erweiterte Berufspraxis. Architektur sollte dabei nicht nur Gebäude schaffen, sondern ihr Wissen auch in andere Disziplinen exportieren können.

RGB-Farben strukturieren dabei den Ausstellungsraum:

  • Rot steht für die Berufsbiografien,
  • Grün für ihre Projekte,
  • Blau für die Stimmen der Studierenden.

NO IS MORE

Ausgehend der einst von Mies van der Rohe geprägten architektonischen Haltung „Less is more“ – und ihrer zunehmenden Umkehr in ein scheinbares „More is more“ oder gar „Yes is more“ – positioniert sich der Pavillon bewusst entgegen diesem Trend. Unter dem Slogan #noismore setzt er ein Zeichen gegen kurzlebige, rein effizienzgetriebene Lösungen und gegen die Logik des ständigen Wachstums. In Zeiten multipler Krisen formuliert die Ausstellung eine klare Botschaft: Fortschritt muss nicht zwangsläufig Wachstum bedeuten. Manchmal liege der Anfang von etwas Neuem – sei es im Bauen oder in unseren Arbeitsrealitäten als Architekt*innen – in einem bewussten Nein.