#ToBeContinued: Das intersektional feministische Kollektiv fem_arc

Aus einer Unzufriedenheit mit der weiß und cis-männlich dominierten Architekturlehre heraus entwickelte sich das Kollektiv fem_arc. Durch Workshops, Installationen, Vorträge und zahlreiche andere partizipative Formate möchten die sechs Mitglieder bestehende Machtstrukturen in der Architektur hinterfragen und intersektional feministische Planungsperspektiven eröffnen.

Océane Vé-Réveillac, Amelie Schindler, Lara Stöhlmacher, Lucía Gauchat Schulte, Aslı Varol und Ana Rodriguez Bisbicus bilden gemeinsam das Kollektiv fem_arc. Während ihrer Zeit an der UdK Berlin sahen die Architekturstudent*innen ihre diversen Lebensrealitäten in der Lehre nicht abgebildet. Sie sehnten sich deshalb nach vielseitigeren Stimmen aus der räumlichen Praxis. Kurzerhand beschlossen sie 2018, die Vortragsreihe F-TALKS ins Leben zu rufen. Im Gespräch mit Theoretikerinnen, Künstlerinnen und Architektinnen thematisierten sie feministische Planungsstrategien und das in der Architektur immer noch prävalente Geschlechterungleichgewicht. Diese Diskussionsrunden bildeten Basis und Einstieg in die kollektive Arbeit von fem_arc.

#ToBeContinued präsentiert Abschlussprojekte, die eine Geschichte erzählen: Konzepte, die weiterentwickelt und umgesetzt wurden und den Absolvent*innen einen erfolgreichen Berufseinstieg ermöglicht haben.

Das Persönliche ist politisch

Auf die F-TALKS folgten viele weitere Projekte, die sich mit Gender, Race, ökonomischem Status, Ability, Queerness, Religion und den dadurch bedingten Diskriminierungserfahrungen, die Menschen in der gebauten Umwelt erfahren, befassen. Zu einem zentralen Thema für das Kollektiv wurde der Begriff „Gossip“. Es beruft sich auf dessen ursprüngliche Bedeutung in der englischen Sprache: die enge Freundin. Der vertrauensvolle Austausch unter Frauen als Ausdruck von Solidarität zwischen Unterdrückten erfuhr erst im 16. Jahrhundert eine negative Konnotation, als er den patriarchalen Strukturen der Gesellschaft gefährlich wurde.

„Getreu dem Motto, das Persönliche ist politisch, [hat Gossip] die Macht, ins Politische vorzudringen. Scheinbar alltägliche Situationen werden zu kraftvollen Geschichten über das urbane und häusliche Leben, über Gewalt und Unterdrückung, über Sexualität und Fürsorge.“ fem_arc

Aus der Aneignung des Begriffs entstand zum einen die Schaufensterinstallation „City of Gossip: Zuhören als urbane Strategie des Widerstands“ am Kottbusser Tor in Berlin. Gemeinsam mit lokalen Initiativen und Gemeinschaften in Berlin-Neukölln und Berlin-Kreuzberg erforschten fem_arc, wie informeller Austausch zur Entstehung einer gerechteren Stadt führen kann. Zum anderen veranstalteten sie in Kooperation mit Diana Lucas-Drogan den Workshop „Subversives Sticken“, bei dem Teilnehmende Geschichten über ihre Erfahrungen im Stadtraum in Stickereien festhalten konnten. 

Ein unterstützendes Umfeld

Die offene Studienorganisation der UdK erlaubte den Student*innen, fem_arc Projekte als Studienleistungen anrechnen zu lassen. So konnte Lara Stöhlmacher auch ihre Masterarbeit aus der Kollektivarbeit ableiten und sich weiter mit dem Thema „Gossip“ auseinandersetzen. Von Beginn an bemühte sich das Kollektiv um finanzielle Förderungen für seine Formate. Beispielsweise konnte es aus dem Budget der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der UdK den Gästen der F-TALKS Honorare und Reisekosten zahlen. Weitere Unterstützung fand es in dem Netzwerk, das sich beginnend mit den F-TALKS nach und nach formierte. Darauf aufbauend entwickelten fem_arc Schritt für Schritt neue Projekte.

Die vielen Stimmen der Stadt

Inzwischen haben die Mitglieder des Kollektivs das Architekturstudium abgeschlossen und gehen neben fem_arc weiteren Beschäftigungen nach. Ob Lehre oder klassisches Architekturbüro – ihre unterschiedlichen Arbeitserfahrungen und Interessen bilden den Nährboden für die Vielstimmigkeit des Kollektivs. Diese Gleichzeitigkeit verschiedener Meinungen möchten sie aktiv fördern und in ihrer Arbeit wiedergeben. So überlagern sich auch im Stadtraum eine Vielzahl von sozialen Beziehungen, gesellschaftlichen Strukturen und Geschichtlichkeiten.

„Räume sollen nicht auf immer dieselbe Art und Weise von immer denselben Leuten geschaffen werden.“ fem_arc

Fem_arcs neuestes Projekt mit dem Titel „IBA – Ich baue auch“ hatte das Ziel, Mädchen, inter, trans und nicht-binären Jugendlichen, denen durch strukturelle Probleme die Teilhabe an öffentlichen Räumen erschwert wird, eine Stimme zu verleihen. Im SP*TI Kiezladen in Berlin-Neukölln stellten sie den Jugendlichen einen Experimentierraum zur Verfügung, in dem sie mit Möbelbau, Tanz, Fotografie, Film, digitalen Medien und Spielen Erfahrungen und Wünsche austauschen konnten.