#BookChat: Wem gehört der Boden?

In den vergangenen Jahrzehnten hat ein kapitalistischer Umgang mit der Ressource Boden die Gestalt und Funktion unserer Städte und Dörfer massiv verändert. Inzwischen ist klar: Es muss sich etwas ändern! Wir stellen euch fünf Publikationen rund um die Bodenfrage vor.

Vor dem Hintergrund steigender Bevölkerungszahlen ist die endliche Oberfläche unserer Erde zu einem kostbaren Gut avanciert. Wem gehört der Boden? Diese Frage steht im Zentrum eines der aktuell wichtigsten Diskurse an den Schnittstellen von Architektur, Politik und Stadtplanung. „Die Tatsache, dass Grund und Boden so lebensnotwendig sind wie Luft und Wasser, verbietet es, ihre Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen auszusetzen.“, schreiben Prof. Arno Brandlhuber, Olaf Grawert und Anh-Linh Ngo im Editorial der 2018 erschienenen Ausgabe „The Property Issue. Von der Bodenfrage und neuen Gemeingütern“ der Zeitschrift ARCH+. Damit bringen sie auf den Punkt, warum das Thema heute, fünf Jahre später, nicht an Relevanz eingebüßt hat. Zahlreiche Ausstellungen und Publikationen widmen sich in den letzten Jahren der Ressource Boden.

Boden für alle

Den Auftakt bildet ein farbenfrohes Buch, das begleitend zu einer Ausstellung im Architekturzentrum Wien herausgegeben wurde. Der reich bebilderte Katalog führt anschaulich und konkret in die politischen, rechtlichen, historischen und wirtschaftlichen Hintergründe rund um die Bodenfrage ein. Wie sinnhaft ist Privateigentum, wenn es um Grund und Boden geht? Diese Frage wird genauso aufgeworfen, wie die Frage nach der Handlungsfähigkeit des Planungswesens. Neben Einführungen und Essays zur historischen Entwicklung der Bodenfrage finden sich in dem Buch zahlreiche Worst-Case-Szenarien und Best-Practice-Beispiele. Das Augenmerk der beiden Herausgeberinnen und Kuratorinnen Karoline Mayer und Katharina Ritter liegt dabei auf dem Land Österreich. Von dieser nationalen Perspektive aus werden Verbindungen zu Debatten und Beispielen in anderen Ländern hergestellt. Aufgrund seiner Zugänglichkeit ist dieses Buch vor allem denen an Herz gelegt, die einen ersten Einstieg in die Thematik suchen.

Die Bodenfrage – Klima, Ökonomie, Gemeinwohl

Auch bei dem zweiten Band – diesmal in Knallrot – handelt es sich um eine Publikation, die im Rahmen einer Ausstellung entstanden ist. Das von Prof. Stefan Rettich und Sabine Tastel herausgegebene Büchlein liest sich wie ein programmatisches Manifest. In einer Serie von eingängigen Grafiken wird die Komplexität der Bodenfrage aufgeschlüsselt. Dabei fokussieren sich die Herausgeber*innen auf die drei Themenbereiche Ökonomie, Klima und Gemeinwohl. Abgerundet wird das Buch von zwei Einleitungen und einem Interview mit Prof. Ottmar Edenhofer, dem Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung sowie fünf Essays namhafter Autor*innen, die Querbezüge herstellen und Lösungsansätze aufzeigen.

Spatial Commons – Zur Vergemeinschaftung urbaner Räume

Im Gegensatz zu den zuvor genannten Publikationen basiert dieses Buch nicht auf einer Ausstellung, sondern auf der Ende 2022 erschienenen Dissertation seiner Autorin Dagmar Pelger. Wie der Titel bereits verrät, beschäftigt sich die Architektin mit sogenannten Commons oder Allmenden, die sie direkt im ersten Satz ihrer Einleitung als Gemeingut oder „allen zugängliche[n] Ressourcen wie Gewässer, Gebirge, Luft, Sprache oder Wissen“ definiert. In dem Buch geht sie der Frage nach Erkennbarkeit und Gestaltbarkeit von heutigen Commons im urbanen Raum nach. Kartografisch erkundet Pelger Vergemeinschaftungsphänomene im Berliner Stadtraum. Bei einem Teil der Publikation handelt es sich um eine Kumulation von Texten, die auf den Ergebnissen diverser Lehrveranstaltungen der Autorin am Fachgebiet für Städtebau und Urbanisierung sowie am Fachgebiet Planungs- und Architektursoziologie an der Technischen Universität Berlin gründen. Das Buch gibt am Beispiel Berlins Aufschluss über Prozesse, Typen und Regelwerke räumlichen Gemeinschaffens in urbanen Gegenden und zeigt Wege der Gestaltbarkeit von Stadt als Spatial Common auf.

„The Property Issue“ und „An Atlas of Commoning“ von ARCH+

Die Zeitschrift für Architektur und Urbanismus ARCH+ hat 2018 gleich zwei Hefte der Bodenfrage gewidmet. Welche Instrumente gibt es, Grund und Boden als Gemeingut zu nutzen und zu bewirtschaften? Die Ausgabe „The Property Issue“ entstand zusammen mit den Gastredakteuren Arno Brandlhuber und Olaf Grawert und knüpft inhaltlich an den Film „Legislating Architecture – The Property Drama“ an. Sie versammelt spannende Kommentare, Interviews und Bildessays zum Thema – unter anderem ein Feature zur Architekturgeschichte der Bodenfrage von Florian Hertweck. Das darauffolgende Heft mit dem Titel „An Atlas of Commoning“ ist anlässlich eines gleichnamigen Ausstellungs- und Publikationsprojekts in Zusammenarbeit mit dem Institut für Auslandsbeziehungen entstanden. Im Sinne des berühmten Bilderatlas Mnemosyne, der vor rund 100 Jahren von dem Kunst- und Kulturwissenschaftler Aby Warburg entwickelt wurde, werden in dieser Ausgabe unter anderem Ideen, Ansätze und Praktiken des Gemeinschaffens textlich und visuell präsentiert und einander gegenüberstellt.