„Gebäude sind immer Teil eines Ökosystems und stehen im ständigen Austausch mit der Umwelt.“

Professor Ferdinand Ludwig versteht sich als Baubotaniker. Seine Architektur versucht, lebende Pflanzen in die Konstruktion zu integrieren. Damit möchte er den Gegensatz von gebautem und natürlichem Lebensraum aufweichen und Lösungen für aktuell drängende Fragen im Sinne einer ökologischeren Baupraxis finden.

Einerseits ist die Bauindustrie von der weltweiten Ressourcenknappheit und der Energiekrise betroffen, andererseits ist sie für ein hohes Maß an Abfall und CO₂-Emissionen verantwortlich. Welches ist Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung, die die Baubranche hinsichtlich der Bauwende überwinden muss? 

Ferdinand Ludwig: Die größte Herausforderung besteht meiner Meinung daran, dass wir Maßnahmen des Klimaschutzes und der Klimawandelanpassung gleichzeitig bewältigen müssen. Letztendlich muss es uns gelingen, unsere Städte so umzubauen, dass sie heute und in Zukunft für uns Menschen, aber auch für eine Vielzahl anderer Lebewesen eine lebenswerte Umwelt darstellen. Bei diesem Umbau geht es nicht nur darum, negative Umweltwirkungen zu minimieren, sondern vor allem auch darum, positive Wirkungen zu maximieren.

Die Lehrmethoden und -inhalte an den Architekturschulen müssen auf die kritische Situation, in der sich die Baubranche aktuell befindet, reagieren. Auf welche dringlichen Anforderungen gehen Sie in Ihrem Unterricht ein? 

Ferdinand Ludwig: Meine Lehre ist an der Schnittstelle von Architektur und Landschaftsarchitektur verortet. Wir denken also deutlich über das, was man unter der Baubranche definiert, hinaus. Gebäude sind immer Teil eines Ökosystems und stehen im ständigen Austausch mit der Umwelt. Wir versuchen, diesen Austausch in der Form zu gestalten, dass ökologische Mehrwerte entstehen. So begreifen wir die Gebäudehülle beispielsweise nicht primär als trennende Schicht zwischen innen und außen, sondern als einen Interaktionsraum von Menschen, Pflanzen und Tieren.

Womit setzen Sie sich in der Forschung auseinander und warum?

Ferdinand Ludwig: Das wichtigste „Material“ ist für uns die Pflanze, konkret der Baum. Bäume spielen für die Aufenthaltsqualität und die Klimaanpassung in unseren Städten eine Schlüsselrolle. Wir beschäftigen uns sehr stark damit, wie wir Bäume auf neue Art in unsere gebaute Umwelt integrieren können, um neue Synergien zu erzeugen. Eine zentrale Ressource ist dabei das Wasser als Grundlage allen pflanzlichen Wachstums. Daher entwickeln wir innovative Konzepte und konkrete Lösungen für blau-grüne Infrastruktur und Architektur.

Welche – kleine oder große – Entscheidungen treffen Sie im Alltag, um Ihren Lebensmodus nachhaltiger zu gestalten?

Ferdinand Ludwig: Ich versuche, weitestgehend auf Flugreisen zu verzichten – in Deutschland sowieso. Auch europaweit versuche ich, auf den Zug umzusteigen. Einladungen auf internationale Konferenzen, die interkontinentale Flugreisen nach sich ziehen würden, lehne ich mittlerweile meist ab oder versuche, online einen Beitrag zu liefern.

Professor Ludwig trägt über seine Forschungsarbeit im November 2022 beim Heinze Klimafestival in Düsseldorf vor. Zudem erscheint Ende des Jahres 2022 die Publikation „Wachsende Architektur – Einführung in die Baubotanik“ über das Wirken von Prof. Ludwig und seinem Team im Birkhäuser Verlag.