„Für eine sozialräumliche Transformation braucht es Planer*innen, die kritische Fragen stellen, Komfortzonen verlassen und „out of the box“ denken.“

Sandra Huning ist Raumplanerin und erforscht u. a. feministische Perspektiven auf Stadt und Planung, Partizipation und Koproduktion sowie die Rolle von Planung bei der sozialökologischen Transformation. Seit 2022 ist sie Vertretungsprofessorin für Stadtplanung an der Bauhaus-Universität Weimar.

Können Sie uns die Schwerpunkte Ihrer Forschung näher erläutern?

Sandra Huning: Raumplaner*innen sitzen an zentralen Schaltstellen, wenn es um Themen wie die 15-Minuten-Stadt, die Verkehrswende oder das Flächensparen geht. Die Handlungsspielräume von Planer*innen sind allerdings durch viele Faktoren begrenzt, und die Rolle von Planung in einem Geflecht aus Institutionen, Akteuren, gesellschaftlichen Diskursen und ökonomischen Verflechtungen interessiert mich. Feministische Perspektiven sind deshalb spannend, weil sie viele Grundannahmen von Planung kritisch hinterfragen. Das reicht von Norm-Vorstellungen über das Wohnen, Haushalte, Mobilitätswünsche etc. bis hin zu ganz grundsätzlichen Voraussetzungen für die Planung wie Eigentum, Wachstum, die Unterscheidung von Produktion und Reproduktion oder Öffentlichkeit und Privatheit. Partizipation und Teilhabe sind seit langem zentrale Anliegen der Planung, jedoch werden sie oft kritisch betrachtet. Einerseits beteiligen sich häufig nur Personen mit ausreichend Wissen und Ressourcen, während andere Gruppen seltener teilnehmen. Andererseits verlangsamt Partizipation Planungsprozesse, und es besteht die Befürchtung, dass lediglich eigennützige Interessen vertreten werden. Vor diesem Hintergrund finde ich es wichtig, dass wir uns darüber Gedanken machen, was wir mit Beteiligung meinen und wollen, und wie wir sie sinnvoll und inklusiv in Planungsprozessen ermöglichen können.

In Ihrem Forschungsprojekt „LoKoNet“ beschäftigen Sie sich mit Emotionen in Planungskonflikten. Welche Ziele verfolgen Sie hierbei?

Sandra Huning: Das Selbstverständnis von Planer*innen ist häufig geprägt von der Vorstellung, dass durch transparente Argumente und Kommunikationsprozesse vernünftige und rationale Entscheidungen zustande kommen können. Emotionen spielen eine entscheidende Rolle in Planungsprozessen, sowohl auf Seiten der Planer*innen als auch bei den Betroffenen und Interessengruppen, die Natur- und Umweltschutz fördern wollen. Im Projekt schauen wir uns an, welche Rolle Emotionen spielen, und wie Planer*innen konstruktiv damit umgehen können. Das Projekt ist ein Verbund aus unterschiedlichen akademischen Disziplinen und der kommunalen Konfliktberatung. Unser Teilprojekt an der Fakultät Raumplanung der Technischen Universität Dortmund beschäftigt sich mit dem Konflikt zwischen Flächensparen und Siedlungsentwicklung. Auf der einen Seite werden immer mehr politische Zielvorgaben für den Wohnungsneubau ausgegeben, die Flächenversiegelung bedeuten; auf der anderen Seite gibt es Vorgaben zum Flächensparen, die kontinuierlich nach unten korrigiert werden, weil sie nicht eingehalten werden. Hier gibt es keine Lösungen, die alle Beteiligten glücklich machen, und konkret vor Ort gibt es dazu immer wieder Auseinandersetzungen. Ziel des Projektes ist es, auch zu schauen, wie Planer*innen bereits in der Ausbildung auf den Umgang mit Emotionen vorbereitet werden können.

Welche Inhalte und Methoden werden von Ihnen vermittelt, und inwieweit spiegelt sich diese Lehre in Ihrer (Forschungs-) Praxis und umgekehrt wider?

Sandra Huning: Die Professur ist hauptsächlich in der Lehre für die Bachelor- und Masterstudiengänge Urbanistik tätig. Es geht darum, ein Verständnis dafür zu etablieren, dass sich Stadtplaner*innen an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Disziplinen auf verschiedenen räumlichen Ebenen im Spannungsfeld von akademischem und Erfahrungswissen bewegen. Entsprechend müssen Planer*innen verstehen, wie die Fachdisziplinen „ticken“, welche Sprache sie sprechen, und welche Rationalität ihnen zugrunde liegen. Planer*innen leisten wichtige Übersetzungsaufgaben, haben aber auch ein eigenes professionelles Selbstverständnis, Instrumentarium und methodisches Rüstzeug, das wir den Studierenden ebenso vermitteln wollen wie Theorien über das Planen. Bei den Methoden handelt es sich im Bachelor-Studium in der Regel um Planungsmethoden: Wie lassen sich Räume analysieren und (auch in partizipativen Prozessen) Erkenntnisse gewinnen, die für Stadtplanung und Stadtentwicklung erforderlich sind? Welche Methoden sind aber auch geeignet, kreativ in die Zukunft zu denken und – z. B. in Koproduktionsprozessen – Lösungen für aktuelle Planungsprobleme zu finden? Vor allem im Master werden zudem Forschungsmethoden vermittelt; hier sind partizipative und experimentelle Ansätze wichtig, aber auch die Reflexion über Position und die eigene Rolle im Forschungsprozess. Dabei spielen eigene Forschungserfahrungen von mir als Lehrende auch eine Rolle. Z. B. bearbeite ich aktuell das Thema „Sorgende Stadt“ gleichzeitig in einem Forschungsprojekt und in einem Master-Seminar.

Welche Chancen bietet die Lehre in Ihren Schwerpunkten derzeit? Was wünschen Sie sich zukünftig in der
Vermittlung ?

Sandra Huning: Die Studiengänge der Raumplanung oder der Urbanistik sind heute geprägt von Planungsprojekten, in denen Studierende in Gruppen aktuelle Fragestellungen bearbeiten und dabei sowohl inhaltliches Wissen bekommen als auch unterschiedliche methodische Fähigkeiten und Kompetenzen in der Teamarbeit erwerben. Ich finde das eine hervorragende Art, zu lehren und zu lernen. Die Projekte nehmen einen großen Teil des Studiums ein, vermitteln zentrale Kenntnisse und machen sowohl den Lehrenden als auch den Studierenden sehr viel Spaß! Die Herausforderung für die Lehre ist, dass Raumentwicklung und die darauf bezogenen politischen und rechtlichen Anforderungen immer komplexer werden. Das bedeutet für die Ausbildung, dass immer mehr Inhalte dazu kommen. Gleichzeitig sind die Curricula in der Regel schon sehr anspruchsvoll, sodass es eigentlich darum gehen müsste, die Stundenpläne zu entschlacken. Für die zukünftige Vermittlung wünsche ich mir, dass gesellschaftspolitische und planungstheoretische Themen oder auch feministische Perspektiven dennoch einen hohen Stellenwert im Studium behalten und es möglichst viele Gelegenheiten gibt, sie im Zusammenhang mit den immer neuen planerischen Herausforderungen zu reflektieren. Denn für eine sozialräumliche Transformation braucht es Planer*innen, die kritische Fragen stellen, Komfortzonen verlassen und „out of the box“ denken. Das ist eine große Stärke der Planer*innen, aber eben auch eine nicht zu unterschätzende Herausforderung.