Ein paar Fragen an: Florian Nagler
Seit 2010 leitet Prof. Florian Nagler den Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren der TUM School of Engineering and Design. Zudem ist er Mitbegründer des Büros Florian Nagler Architekten. Wir sprachen mit ihm über die Verschränkung seiner Praxis, Lehre und Forschung: Wie fließen Erfahrungen aus der Forschung in die Lehre ein? Welche Resonanz erfährt das Konzept "Einfach Bauen" in der Universität? Und was kann die Baupraxis von Studierenden lernen?
Sie fordern eine Entkomplizierung im Bauwesen und, dass wir als Planer*innen „Einfach Bauen“. Was bedeutet das für die Architekturlehre?
Eine wesentliche Erkenntnis aus dem Forschungsprojekt „Einfach Bauen“ ist, dass man komplizierte Entwürfe nicht einfach bauen kann und ich fordere das auch nicht für alle, sondern habe für mich einen Weg gefunden, der mich interessiert und der für meine Arbeit zukunftsfähig erscheint. Die Resonanz auf das Forschungsprojekt zeigt, dass die dort gestellten Fragen und die möglichen Antworten durchaus auch bei vielen anderen am Bau Beteiligten „einen Nerv treffen“ – und nicht nur hier – das Thema „Einfach Bauen“ stößt auch bei den Studierenden auf reges Interesse. Wir versuchen daher, die Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt „Einfach bauen“ bereits ab dem 1. Semester zu vermitteln und so die Studierenden bereits frühzeitig auch an Forschungsfragen heranzuführen. Auch bei Studierenden aus höheren Semestern wird das Thema stark nachgefragt. Die Themen unserer Entwurfsprojekte stehen daher oft in engem Zusammenhang mit „Einfach Bauen“ und es ist spannend zu verfolgen, welches ästhetische Potenzial die Studierenden dieser Art zu entwerfen und zu konstruieren entlocken …
Wie binden Sie diese Agenda in Ihre Lehre ein? Wie ergänzen sich Ihr Lehrstuhl und Ihre Forschungsabteilung?
Der Lehrstuhl ist gleichzeitig die Forschungsabteilung. Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen arbeiten sowohl an den Forschungsprojekten, als auch in der Lehre. In diesem Sommer beispielsweise hat eines unsere Entwurfsprojekte einfach (um)bauen zum Thema. Damit stimmen wir uns einerseits auf unser nächstes Forschungsprojekt („einfach (um)bauen“) ein und bieten andererseits ein Thema an, das sich mit wichtigen Fragestellungen unserer Zeit beschäftigt und deshalb auch die Studierenden anspricht.
Inwieweit spiegelt sich Ihre Lehre und Forschung in Ihrer Praxis und umgekehrt wider?
Dadurch, dass wir zu unseren Forschungsprojekten rund um „Einfach Bauen“ die drei Forschungshäuser in Bad Aibling realisiert haben (die Planung hierfür erfolgte durch Florian Nagler Architekten), gab es eine enge Verschränkung von Forschung und Arbeit im Büro. Das ist natürlich ein großer Glücksfall, wenn man beides bei ein und demselben Projekt machen darf. Ich habe den Eindruck, dass sich die Tätigkeit an der Universität mit der beruflichen Praxis inzwischen intensiv gegenseitig befruchten – sehr zum Gewinn von beidem!
Mit der Gebäudeklasse E schaffen Sie einen Lösungsansatz gegen die Überregulierung im Bau. Gehört es zum jetzigen Architekturstudium ebenfalls dazu, systematische (z. B. rechtliche) Alternativen zu entwerfen – oder sollte es das?
Die Hochschulen sind ohnehin ein Raum, in dem relativ unabhängig von Vorschriften und Regulierungen entworfen und gedacht wird – schon aus Unkenntnis und der Unmöglichkeit, 3.600 technische Baubestimmungen in die Vermittlung von Entwerfen einfließen zu lassen. Die meisten Studierenden entwerfen ohnehin im „Gebäudetyp E – Modus“! Um so härter ist derzeit dann der Einstieg in die Praxis und die Konfrontation mit der Planungsrealität. Das kann man gut finden, oder bedauern. Ich jedenfalls verspreche mir vom Gebäudetyp E einen weniger gravierenden Einfluss auf die Lehre, als einen Befreiungsschlag für die berufliche Praxis, der ein Feld eröffnet für Innovationen und für Lösungen, die man derzeit gar nicht denken darf. Die Idee für den Gebäudetyp E wurde im Übrigen in einer Arbeitsgruppe der Bayerischen Architektenkammer geboren – ich unterstütze sie aber aus vorgenannten Gründen sehr gerne!
Was wünschen Sie sich zukünftig für die Architekturlehre und die Forschung in ihrem Feld? Welche Möglichkeiten bietet die Lehre für die Bauwende?
Die Hochschulen müssen sich intensiv mit den drängenden Fragestellungen unserer Zeit hinsichtlich eines sinnvollen Umgangs mit unseren Ressourcen beschäftigen, ohne dabei soziale und ästhetische Fragestellungen aus dem Auge zu verlieren. Die Bedeutung von Ästhetik als ein wichtiger Aspekt von Nachhaltigkeit kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Allerdings sind diese Themen an den Hochschulen durchaus angekommen, bzw. werden dort schon lange vorangetrieben. Die Übertragung in die Praxis scheint mir die größere Hürde zu sein – da ist noch viel zu tun!