Zementfrei und ressourcenschonend: Der Forschungspavillon MANAL
Ein Pionierprojekt vereint innovative Materialien, neue Bautechniken, Experiment und Design und setzt ein baukulturelles Zeichen.
Ende Oktober 2024 eröffnete auf dem Campus der Hochschule Luzern (HSLU) ein Bauwerk, das als Labor für Materialforschung und -lehre dient. Der MANAL Pavillon, ein Leuchtturmprojekt des Materialherstellers Oxara, erprobt die Anwendung von eigens entwickelten, CO₂-armen und zementfreien Baustoffen wie Gusslehm und Lehmbausteinen. In den nächsten zwei Jahren wird der Pavillon als Untersuchungsobjekt dienen, um belastbare Erkenntnisse über die experimentellen Materialien zu gewinnen.
Ein Experimentierfeld für Studierende, Materialforschende und Industrie
Das kompakte, 50 Quadratmeter große Gebäude ist das Ergebnis der transdisziplinären Zusammenarbeit zahlreicher Hochschul-, Planungs- und Industriepartner. Wie entwirft man aber mit innovativen Materialien, deren Verhalten noch unerprobt ist? Die Architektur des Pavillons gibt eine gestalterische Antwort auf die Eigenschaften der Baustoffe. So trägt die dreiachsige Struktur mit Gewölbebögen unterschiedlicher Spannweite und Höhe nicht nur die Deckenlasten effizient ab, sondern schafft zudem eine einzigartige Raumspannung. Auch wenn die primäre Nutzung des Bauwerks der Forschung unterliegt, setzt das Bauwerk ein architektonisches Statement. Erste Konzepte eines Pavillons aus zementfreien Oxara Materialien entwarfen 2023 Architekturstudierende der HSLU unter der Leitung von u. a. Prof. Stefan Wülser und Sara Sherif (Oxara). Auf der Grundlage des kollektiv erworbenen Wissens und gemeinsam mit weiteren Planungspartner*innen planten Sherif und Wülser den MANAL Pavillon.
Zementfreies Materialrepertoire
Im MANAL Pavillon kamen mehrere Produkte aus der Materialpalette von Oxara zum Einsatz. Die Fundamente, Stützen und tragenden Wände wurden erstmals mit Oulesse® Beton gegossen. Diese zementfreie Betonalternative besteht aus rezykliertem Bauschutt und Mineralsalzen und verursacht 70 Prozent weniger CO₂-Ausstoß als herkömmlicher Beton, so der Hersteller. Die Fassadenwände bestehen aus Gusslehm Nossim. Die Mischung aus Lehm und Gesteinskörnung bleibt durch ein zementfreies Zusatzmittel flüssig und lässt sich dadurch wie Beton verarbeiten. Des Weiteren wurden komprimierte Oxabloc-Lehmsteine erstmalig unter Verwendung eines neu entwickelten Lehmmörtels in Gewölbeform, mit CNC-gefertigten Schalungen vermauert.
Innovation in Hybridbauweise
Je nach Mischung zeigen die Oxara-Produkte Eigenschaften zwischen Stampflehm und Beton. Sie bieten ein gutes Wärmespeichervermögen und eine hohe Druckfestigkeit, können aber kaum Quer- und Zugkräfte aufnehmen. Daher entschieden sich die Planenden für eine Hybridbauweise. Zugstäbe aus Stahl übertragen den Bogenschub der Gewölbe, und ein hölzerner Ringbalken hält die gesamte Struktur zusammen. Die Dachkonstruktion verbindet sich mit den aussteifenden Wänden aus Oulesse®-Beton über vertikale Stahlkreuze und mit den gemauerten Wänden über Klemmen. Dabei wurde darauf geachtet, dass alle Elemente wiederverwendbar oder recycelt sind. So kamen für das Dach Reuse-Wellblechplatten und für den Boden Betonplatten aus einem umgebauten Tunnel zum Einsatz.
Manal verkörpert die Vision von Oxara
Gnanli Landrou und Thibault Demoulin gründeten 2019 Oxara als Spin-off der ETH Zürich. Der aus Togo stammende Materialwissenschaftler Landrou hatte gemeinsam mit Prof. Guillaume Habert ein Verfahren entwickelt, das lehmhaltiges Aushubmaterial ohne Zement in einen alternativen Beton verwandelt. Weltweit bezahlbare und nachhaltige Baumaterialien herzustellen, erklärte er zu seinem ambitionierten Ziel.
Nach zweijähriger Planung verkörpert der MANAL-Pavillon die Forschungsfortschritte von Oxara. Das Pionierprojekt zeigt neue Anwendungstechniken von zementfreien Baustoffen in Kombination mit konventionellen Materialien und demonstriert, wie der Einsatz emissionsintensiver Werkstoffe minimiert werden kann. Als Lehr- und Forschungsobjekt im Projekt „Think Earth“ der HSLU verspricht es, Innovationen in Material- und Bautechnik voranzutreiben. Konzipiert als rückbaubares Bauwerk nach dem Prinzip „design to disassemble“ werden die Bauteile auch nach der festgelegten Nutzungsdauer des Pavillons von zwei Jahren weiterleben – in welcher Form, bleibt offen.