Wasser statt Wüste: Die Sommerschule Blue Paths
In zwei sizilianischen Dörfern gestalteten Studierende mehrere wasserbezogene Interventionen. Fünf Stationen schufen Raum für Dialog und neue Perspektiven.

Im Wintersemester 2024 entwickelten Studierende der Universität Stuttgart und Universität Nürnberg gemeinsam mit der Accademia di Belle Arti di Palermo im Seminar „Blue Paths: Revitalizing healing places“ fünf temporäre Installationen. Diese entstanden an Brunnen und Quellen in den Ausläufern des Madonien-Gebirges. Das Ziel: eine Initialzündung für die Aufwertung, Pflege und erneute Aneignung dieser identitätsprägenden Orte.
Ein Weckruf
Im landwirtschaftlich geprägten Zentralsizilien spürt man die Folgen des Klimawandels: Wasser wird knapp, Dürren, Hitzewellen, Waldbrände und Sturzfluten nehmen zu. Auch wirtschaftlich steht die Mittelmeerinsel vor großen Herausforderungen. Während der industrialisierte Norden Italiens die natürlichen Ressourcen Siziliens nutzt, bleibt die Region selbst oft arm und entvölkert. Die Dörfer Sclafani Bagni und Petralia Sottana, eineinhalb Autostunden vom Trubel Palermos entfernt, liegen in den Bergen der Madonie. Die Region weist eine lange kulturelle Tradition im Umgang mit Trink- und Thermalwasser auf. Hier setzte das Projekt der internationalen Studierendengruppe unter der Leitung von Prof. Pietro Airoldi, Prof. Carola Dietrich und Ass. Prof. Bettina Klinge an.

Ein Pfad, fünf Orte, fünf Düfte
Nach intensiver Vorbereitung reisten 31 Studierende und sieben Lehrende für zwölf Tage in die Region. In der Sommerschule befragten sie die rund 500 Einwohner*innen von Sclafani Bagni nach ihren Wünschen. Diese Gespräche bildeten die Grundlage für fünf Interventionen entlang eines Pfades, der die Dörfer und umliegenden Thermalquellen verbindet. Die Stationen reichten von DesignBuild-Projekten über Lichtinstallationen bis zu Performances.
Der Pfad begann auf der Piazza von Sclafani Bagni. Hier inszenierten die Studierenden eine Performance, die alternative Nutzungen eines Brunnens zeigte: als Dusche, Waschplatz, Treffpunkt oder Ort der Ruhe. Am Dorfeingang luden sie zu einer deutsch-sizilianischen Teezeremonie ein. Unter dem Duft heimischer Kräuter konnten Besucher*innen Wasser in verschiedenen Aggregatzuständen und Sinnesebenen erleben.

Natürliche Privatsphäre
Thermalquellen sind auf Sizilien ein Symbol für den Zugang zu unberührter Natur. In Sclafani Bagni hatten Bewohner*innen ein kleines, öffentliches Badebecken, „la pozza“, geschaffen. Um die Nutzung für alle zu erleichtern, entwarfen die Studierenden einen Sichtschutz aus lokalem Schilfrohr. Sie bauten eine Umkleide und schufen so ein Mindestmaß an Privatsphäre. Der Duft von Ysop, Meerfenchel und Eichenmoos begleitete die Installation.

„Sleeping Beauties“
Wo einst Menschen badeten, steht heute eine Ruine. Ein Lichtpfad führte die Besucher*innen zum Eingang der alten Thermenanlage. Die Studierenden filmten das Gebäude mit Drohnen und projizierten die Aufnahmen auf die Außenwände. Der Kurzfilm thematisierte die Wiederbelebung verlassener Thermalanlagen und ihre Bedeutung für soziale Verbindungen.
Die letzte Station lag im Nachbardorf Petralia Sottana – eine symbolische Wiederbelebung des seit 2012 geschlossenen Schwimmbads Santa Elia. Die Teilnehmenden zeichneten den Grundriss des Beckens auf den Vorplatz und füllten ihn mit Artefakten und Erinnerungen der Bewohner*innen.

Fortsetzung in der Schweiz
Das Bad zum Raben in Baden wurde zum Schauplatz der Reflexion über die Sommerschule. Die Ausstellung dokumentierte nicht nur die Interventionen in Sizilien, sondern interpretierte diese neu und verband sie mit der Geschichte des Bades und dessen kollektiven Engagements für Wasser als Gemeingut.