Wanna See Wannsee? Entwürfe zum Erhalt eines historischen Berliner Strandbads

Das einst größte Binnenfreibad Europas verfällt heute in weiten Teilen. Eine Initiative & Ausstellung mit studentischen Ideen sollen einen Beitrag zur Rettung des denkmalgeschützten Ensembles liefern.

Das Strandbad Wannsee, ein ikonisches Berliner Freibad mit über 95 Jahren Geschichte, steht heute größtenteils leer. Im Sommer tummeln sich bis zu 10.000 Menschen am Strand, während der Rest des denkmalgeschützten Ensembles verfällt. Prof. Carsten Gerhards von der Hochschule Darmstadt hat eine Initiative gestartet, um auf diese prekäre Situation aufmerksam zu machen und das Strandbad zu retten. Seine Studierenden hatten dabei die Aufgabe, nach dem Konzept einer „Bauhütte“ Ideen zur Sanierung und Weiterentwicklung der Bestandsstrukturen zu erarbeiten, um das Baudenkmal denkmalgerecht zu erhalten und dessen Potenziale aufzuzeigen. Die Entwürfe sind nun ab Ende August in einer Ausstellung vor Ort zu sehen.

Bad mit bewegender Geschichte

Vor fast hundert Jahren übernahm die Stadt Berlin das Strandbad Wannsee. Der sozialdemokratische Direktor Hermann Clajus hatte die Vision eines Erholungsortes für sämtliche soziale Schichten. Er öffnete das Bad für alle, organisierte Essensausgaben und Ferienlager für Kinder aus ärmeren Vierteln. 1915 entwarf Architekt Martin Wagner ein erstes Bebauungskonzept für das bisher kaum genutzte Ufer am Großen Wannsee, woraufhin 1927 daraus ein modernes „Weltstadtbad“ im Stil der Neuen Sachlichkeit entstand. Der 540 Meter lange, denkmalgeschützte Gebäudekomplex wurde 1929 bis 1930 nach Plänen von Richard Ermisch und Oberbaurat Haenisch errichtet. Mit einem 1,3 km umfassenden Strand und jährlich über einer Million Badegästen war es das größte Binnenfreibad Europas. Clajus, der nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten als Sozialdemokrat verfolgt wurde, nahm sich 1933 das Leben. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise wurde die Anlage schließlich nur teilweise realisiert, und der spätere Weiterbau scheiterte an der Ablehnung des Baustils durch die Nationalsozialisten.

2007 wurden die baulichen Anlagen des Strandbads Wannsee für 12,5 Millionen Euro saniert. Am 500 Meter langen Wandelgang des Strandbads Wannsee finden sich noch heute Läden, Kioske, Imbisse, ein Café, eine Rettungsstation sowie Garderoben, Duschen und Sanitärräume. Teile der technischen Infrastruktur wurden ebenfalls instand gesetzt, jedoch blieb unter anderem das Strandrestaurant Lido, das einst mit seinem geschwungenen Gastraum und der Terrasse das Herzstück des Bades war, außen vor. Auch Umkleidekabinen und angrenzende Bereiche sind unrenoviert und verfallen weiter. 

Alte Umkleiden, ein Restaurant am Strand und ein neues Voluntary Camp

Im Rahmen dreier Entwurfsstudios sollten Studierende die dem Verfall drohenden Strukturen des Bads neu denken. 35 Studierende nahmen dazu an Exkursionen und Workshops vor Ort teil, um Konzepte zur Erhaltung und Weiterentwicklung des historischen Ensembles zu entwickeln. Der Lehrstuhl und die Studierenden waren dabei stetig im engen Austausch mit der Senatsverwaltung für Inneres und Sport sowie den Berliner Bäderbetrieben. Als Ziel galt es, das historische Ensemble, bestehend aus dem Restaurant Lido und den Umkleidehallen A–D, sorgfältig zu analysieren und als Lernort für alle Generationen weiterzuentwickeln. Die Studierenden sollten dabei Konzepte entwickeln, die Clajus' Idee des „Volksbads“ widerspiegeln. Es gilt, den Bestand behutsam umzufunktionieren, um den Charakter der Gebäude zu bewahren und gleichzeitig neue Nutzungen zu integrieren. Das neue Strandbad soll ein Lern- und Treffpunkt für Jugendliche und junge Erwachsene werden, insbesondere für jene aus sozial prekären Verhältnissen. Das Ganze in einem Konzept einer „Bauhütte“, die Ausbildungen im Bauhandwerk, in der Gastronomie, als Gärtnerin oder Bademeisterin ermöglichen, und die Akteur*innen in die Umsetzung mit einbeziehen können.

Studentische Visionen

Zwei Bachelor-Kurse haben das Lido-Restaurant und die Umkleidegebäude behandelt, vier Masterarbeiten entwickelten hingegen ein Konzept für ein Voluntary Camp auf dem Gelände. Um nur ein paar der Ansätze zu nennen: Das Konzept von Tino Richter und Mia Kluge beispielsweise, sieht für die Umkleidehallen einen barrierefreien Zugang vor, Atrien zur besseren Belichtung und Funktionswände ein einladendes und multifunktionales Umfeld. Katrin Fuchs’ Entwurf für das Strandrestaurant Lido denkt hingegen einen gastronomischen Lernort an, der jungen Menschen berufliche Perspektiven bieten könnte. Die flexible Gastronomie wird als Café, Kantine, Kochschule und Bar genutzt und verbindet durch ihre zentrale Lage überdachte Außenbereiche, Veranstaltungsräume und unterschiedliche Bereiche des Strandbads miteinander. Saskia Müller plant hier hingegen ein Lernzentrum mit Bibliothek, Vorlesungssaal und Seminarraum. Alle Entwürfe und Ideen sind vom 31. August bis 15. September vor Ort in der Ausstellung „Wanna See Wannsee?“ zu sehen und sollen Aufmerksamkeit von sowohl der Öffentlichkeit als auch der beteiligten Institutionen auf die Geschichte, Potentiale und den Erhalt dieses wertvollen Bestandes lenken.