No Boundaries within the planetary Boundaries: Die „sbe22 berlin“ Student Conference

Wie kann sich das Bauwesen angesichts der sich schonungslos offenbarenden Endlichkeit natürlichen Ressourcen weiterentwickeln? Diese Fragestellung stand im Zentrum der „Sustainable Built Environment D-A-CH Conference sbe22 berlin“, die vom 20. September bis zum 23. September an der Technischen Universität Berlin stattfand. Das von Prof. Eike Roswag-Klinge geleitete „Natural Building Lab“ organisierte die Veranstaltung in Kooperation mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, dem Karlsruher Institut für Technologie und der Technischen Universität Graz.

Unser Planet ist kein unendlicher Ressourcenspeicher – Lange genug hat die Bauwirtschaft ihr Übriges dazu beigetragen, die vorhandenen Ressourcen zu minimieren. Damit, wie es gelingen kann, das Bauwesen und die dazugehörigen Ausbildungsgänge in eine nachhaltige Richtung zu steuern, haben sich die Teilnehmer*innen der „Sustainable Built Enviroment D-A-CH Conference sbe22 berlin“ beschäftigt. Die Konferenz, die vom 20. September bis zum 23. September an der Technischen Universität Berlin (TU Berlin) stattfand, resultierte aus einer Zusammenarbeit der TU Berlin, vertreten durch die Fachgebiete Natural Building Lab (NBL) von Prof. Eike Roswag-Klinge und „Habitat Unit“ von Prof. Dr. Elke Beyer, mit den Universitätspartnern der  Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH), dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und der Technischen Universität Graz (TU Graz). Parallel zur Hauptkonferenz lief die „Student Conference“, bei der Studierende einerseits ihre Projekte zum Themenkomplex der Konferenz vorstellen, andererseits sich auch weiteren, studienrelevanten Themen widmen konnten. Die baunetz CAMPUS-Redaktion hat als Medienpartner diesen Teil der Konferenz begleitet.

Einführungsabend und Diskussion

Am 20. September fand abends die Einführungsveranstaltung im Lernzentrum „floating“ in Berlin-Kreuzberg statt. Prof. Matthias Ballestrem von der HafenCity University Hamburg moderierte das Auftaktprogramm, bei dem mehrere Speaker*innen zunächst in Vorträgen thematisch auf die Konferenz einstimmten. Dr. sc. ETH Kim Förster von der Manchester School of Architecture stellte seinen Research zur Geschichte der Zementproduktion und deren ökologische Auswirkungen vor. Dem schloss sich Dr. phil. Alexander Stumm, Universität Kassel, in einer historischen Betrachtung der Geschichte des Gebäudeabrisses an und leitete damit zur Notwendigkeit eines Abrissmoratoriums über. Vertreter*innen der interdisziplinären studentischen Gruppe (re)searching urbanity berichteten von ihren Projekten und Herausforderungen als „Bottom-up“-Initiative.

Die Veranstaltung bot den Anwesenden einen Rollenwechsel an – von passiven Zuschauern zu aktiven Mitgestalterinnen. Am Ende dieser Auftaktveranstaltung fanden sich die Teilnehmenden in Gruppen ein, um Vorschläge und Ideen für die kommenden Konferenztage zu entwickeln und in der Runde zu diskutieren. Dabei wurden insbesondere die Studierenden nach ihren Wünschen und Bedürfnissen für die zukünftige Praxis und Lehre gefragt. Viele Vorschläge richteten sich darauf, Bewusstsein zu schaffen. Demnach wünschen sich Architekturstudierende, schon zu Beginn der Ausbildung, über den Einfluss bestimmter Baumaterialien auf das Klima sensibilisiert zu werden. Der Besuch von Produktionsstätten wie Zementwerke oder Steinbrüche könnte bei den jungen Menschen einen bleibenden Eindruck hinterlassen und zu einem Umdenken der eigenen Projekte anregen. Andere Stimmen zielten auf eine weitere Demokratisierung und Inklusion in der Lehre ab. Auch dort ging es darum, bisher Unsichtbares sichtbar zu machen: Wieso etwa bekommen die Handwerkskräfte, die aktiv am Bau der Architektur beteiligt sind, kaum eine Stimme im Diskurs? Es herrschte eine große Einigkeit bei den Zielen, die sich an Fragen des Materials und dessen Umgang festmachten. Prof. Ballestrem erinnerte zum Schluss des Gespräches die Teilnehmenden an eine zentrale Verantwortung der Architekturdisziplin: Architekt*innen müssen in der Lage sein, Bauten, die eine Vielzahl Anforderungen erfüllen, zu gestalten.

 

Studierende konferieren

Die eigentliche „Student Conference“ fand einen Tag später, am 21. September 2022 im Hauptgebäude der TU Berlin statt. Thematisch gegliedert in die Bereiche transformative Räume, Materialkreisläufe sowie Design und Prozesse der Wiederverwendung, fanden drei Vortragssessions statt, in denen die Studierenden die Chance hatten, ihre vorher eingereichten Projekte vorzustellen. Das Spektrum der vorgetragenen Arbeiten rangierte von kleinen architektonischen Eingriffen zur Bestandertüchtigung bis hin zu regenerativen Strategien von ganzen Regionen, die wie das exemplarisch behandelte Rheinische Braunkohlenrevier künftig von der angestrebten Energiewende betroffen sein werden. Auch die Studierenden der Hochschule Bremen konnten ihr Projekt „RE.MATERIAL“, über das baunetz CAMPUS bereits berichtete, in dieser Runde vorstellen. Eine theoretische Abhandlung blickte postkolonial auf die Geschichte des Lehmbaus in Europa und versuchte, den hiesigen Vorurteilen, die gegenüber erdbasierter Architektur bestehen, auf den Grund zu gehen.  In der letzten Vortragsrunde präsentierte eine Studentin der Technischen Universiteit Delft eine Matrix, anhand derer sich Planende orientieren können, wie groß der Eingriff ihres Entwurfes in ökologische Kreisläufe ist. Dadurch soll die gebaute Umwelt selbst als ein Ökosystem verstanden und betrachtet werden.

 

Grenzen überwinden innerhalb der planetären Grenzen

Eine Forderung der jungen Studierenden, die am Ende des ersten Abends in der floating zum Ausdruck kam, fasst den Standpunkt der anwesenden jungen Generation zusammen: „No Boundaries within the Planetary Boundaries“ – postulierten sie. Bestehende Zwänge und Grenzen, seien sie technischer oder ästhetischer Natur, sollen bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Ressourcenknappheit auf unserem Planeten überwunden werden. Ein Eindruck der Entschlossenheit zur Veränderung der Architekturdisziplin bleibt zurück: So wie bisher kann es nicht weitergehen!

Gleichzeitig offenbarte sich aber auch die Identitätskrise der Profession: In welcher Rolle und welcher Verantwortung befinden sich die Architekturschaffenden angesichts der vorgetragenen Tatsachen in zukünftigen Zeiten? Eine vereinigende Haltung war der Wille zur Praxis. Jeder kann mit seiner Methode in seinem Handlungsrahmen dazu beitragen, die Ressourcenverschwendung einzudämmen, sofern es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt, sondern Projekte beispielhaft und greifbar in die Tat umgesetzt werden.