Neue Perspektiven im Braunkohlerevier: Die Temporäre Universität Hambach

Treffpunkt Morschenisch-Alt: Wissenschaft, Politik und Lokalgesellschaft begegneten sich auf Augenhöhe, um den Strukturwandel in der Tagebauregion voranzutreiben.

Kahle Felder, ausgestorbene Ortschaften, demografischer Umbruch – Was wird aus dem rheinischen Braunkohlerevier? Der Strukturwandel in der vom beschleunigten Braunkohleausstieg geprägten Region beschäftigt Politik und Gesellschaft, aber auch die Universität. Von der RWTH Aachen ins Leben gerufen, fand vom 17. bis 24. Juni 2024 die Temporäre Universität Hambach (tu! Hambach) zum zweiten Mal statt. Im kleinen Dorf Morschenich-Alt diskutierten Forschende, Studierende, Lokalpolitiker*innen, die Zivilgesellschaft und eine interessierte Öffentlichkeit über die Zukunft des Rheinischen Reviers.

Ein temporäres Bildungsangebot mit Ausrufezeichen

Der angesteuerte Strukturwandel in der Region bedarf einer offenen Diskussionsplattform. Unter dem Motto „Tu was, mach mit!“ fand 2023 die erste einwöchige tu! Hambach statt. Von REVIERa, der Transformationsplattform der RWTH Aachen, als einmaliges Event geplant, zog sie mit 70 Veranstaltungen und über 500 Gästen große Aufmerksamkeit auf sich. Deshalb wiederholte man das Format diesen Sommer und verwandelte Morschenich-Alt, eines der sechs zu erhaltenden Braunkohle-Dörfer, in einen Ort des Austauschs. Das Team des Lehrstuhls Planungstheorie und Stadtentwicklung von Prof. Agnes Förster leitete die Planung und Organisation.

Wissenschaft trifft auf Gesellschaft

Ausstellungen, Vorträge, Exkursionen, Workshops und ein Symposium fanden an vier Programmtagen statt. Was als fachlich-wissenschaftlicher Austausch startete, öffnete sich inhaltlich immer mehr, um am letzten Tag eine breite Öffentlichkeit einzubeziehen. Den Auftakt machte das Symposium „Planungskulturen des Umbaus“ mit Perspektiven auf Planungspraktiken für eine zukunftsfähige Bestandsentwicklung. Der zweite Tag beleuchtete die Transformationskraft kleiner Städte und Dörfer rund um den Tagebau Hambach. Workshops, Videopräsentationen und Gesprächskreise brachten am nächsten Tag junge Menschen aus der Region zusammen. „MENSCHgeMACHT“, der vierte Veranstaltungstag, widmete sich den aktiven Personen, die den Umbruch von unten mitgestalten. Fragen nach „Wie funktioniert Dorf?“ oder "Welches sind weibliche Perspektiven auf den Strukturwandel" rundeten das Programm ab. 

Formate des Lehrens und Lernens vereint 

Die tu! Hambach bot Studierenden vielfältige Beteiligungsmöglichkeiten. Einerseits organisierten Student*innen der RWTH Aachen die Veranstaltungsinfrastruktur und sorgten für die einladende Atmosphäre. Auch in der Lehre beschäftigten sie sich mit der Problematik der Region. Ein Entwurfsstudio und eine Bachelorthesis lieferten wichtige planerische Ansätze. Besonders bereichernd gestaltete sich der hochschulübergreifende Austausch während der Programmtage. Interviews und Gespräche mit der lokalen Bevölkerung vertieften die Einblicke der Studierenden.

Von dem Hauptsitz in der Reiterhalle gewann das vielfältige Programm weit über die Grenzen der kleinen Ortschaft hinaus an Aufmerksamkeit. Denn es geht nicht nur um die Entwicklung des kleinen Dorfs, sondern um die gesamte Tagebauregion, auch jenseits von Hambach. Deswegen soll, so die Organisatoren, die innovative Lehr- und Forschungsplattform tu! Hambach als wiederkehrendes Format in der Region verwurzelt bleiben und wertvolle Impulse für die Entwicklung des Rheinischen Reviers geben.