Myzel statt MDF und OSB: Das Forschungsprojekt NEWood

NEWood kombiniert Pilzmyzel mit Holz- und Agrarabfällen, um eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Holzwerkstoffen und Dämmstoffen zu schaffen.

Pilze sind seit jeher treue Begleiter des Menschen. Aus der Medizin, wo sie zur Entwicklung lebensrettender Antibiotika beitrugen, haben sie den Sprung in die Bauindustrie geschafft, wo sie in nachhaltigen Materialien zum Einsatz kommen. Über ihre vielfältigen Einsatzmöglichkeiten im Bauwesen haben wir bereits berichtet. Nun untersucht ein Team am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), wie sich Pilzmyzel – das Wurzelgeflecht von Pilzen – in einen leistungsfähigen Baustoff verwandeln lässt. 

Seit Mitte 2024 forschen Rebekka Volk und Nazanin Saeidi gemeinsam mit Xin Ying Chan am Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion sowie am Lehrstuhl für Nachhaltiges Bauen an einem neuen plattenförmigen Werkstoff: NEWood. Gemeinsam mit Partner*innen aus der Industrie hat sich das Team vorgenommen, eine kreislauffähige Alternative aus lokal verfügbaren Abfällen ohne den Einsatz synthetischer Bindemittel zu schaffen.

Pilzmyzel statt Kleber

Was macht das Material besonders? Kein frisch geschlagenes Holz, keine synthetischen Klebstoffe – stattdessen Landwirtschaftsabfälle, Holzreste und Pilzmyzel als natürliches Bindemittel. Die Kombination aus Holz- und Agrarabfällen mit Myzel ergibt ein Material, das sowohl ökologisch als auch leistungsstark ist. Die Forscher*innen konnten Varianten entwickeln, die in ihrer Dichte und Stabilität den Eigenschaften von OSB-, MDF- und Spanplatten gleichen. So eröffnen die leichten Myzel-Materialien völlig neue Anwendungsmöglichkeiten: im Möbelbau, in Trockenbausystemen oder als Ersatz für synthetische Dämmstoffe wie EPS oder Steinwolle. 

NEWood im Praxistest

Neben Labortests arbeitet das Team an einem 1:1-Demonstrator, der zeigt, wie NEWood in der Praxis funktionieren soll – etwa als Innenwandsystem oder Möbelkomponente. Die Herstellung jedes Bauteils dauert dabei rund vier Wochen. Der Demonstrator stellt ein vollständig kreisförmiges Raumsystem dar, das als ruhiger Raum für Anrufe und Besprechungen dient – unter anderem im Fakultätssaal und in der Bibliothek des KIT. Dort könnten Studierende und Mitarbeiter*innen das Material im Alltag testen. Ziel ist es, die Marktfähigkeit des Materials nachzuweisen und es innerhalb der nächsten zwei bis vier Jahre verkaufsfähig zu machen.

Weniger Holz, mehr Impact

NEWood punktet auch bei der Umweltbilanz. Durch die Verwendung von Holz- und Agrarabfällen sinkt der Bedarf an frischem Holz, während biogener Kohlenstoff dauerhaft gebunden wird. Lebenszyklusanalysen zeigen das Potenzial des neuen Materials, konventionelle Alternativen in ökologischer und ökonomischer Hinsicht zu ersetzen.