Material Perspectives: Regenerativer Bioregionalismus in der Oberpfalz
Franziska Sorger und Öykü Tok untersuchten in ihrer Masterarbeit, wie industrielle Abfallströme aus der Glas- und Porzellanproduktion zu nachhaltigen Baustoffen transformiert werden können.

Wie können wir Abfallprodukte der Industrie sinnvoll verwenden, anstatt sie ungenutzt zu entsorgen? Im Rahmen unserer Masterarbeit „Material Perspectives – Regenerativer Bioregionalismus in der Oberpfalz“ an der Technischen Universität München, betreut von Prof. Niklas Fanelsa, erforschten wir, wie sich industrielle Abfallströme aus der Glas- und Porzellanproduktion zu umweltfreundlichen Baustoffen transformieren lassen. Durch bioregionale Strategien und den Einsatz von Geopolymeren sollen wertvolle Ressourcen geschont und CO₂-Emissionen reduziert werden.

Zirkuläres Bauen als Ausgangspunkt
Die Bauindustrie stützt sich nach wie vor auf energieintensive Materialien, deren Herstellung enorme ökologische Folgen hat. Um diesem Problem zu begegnen, setzten wir auf Kreislaufwirtschaft und bioregionale Materialstrategien. Unser Zugang zum Thema der zirkulären Bauwirtschaft ist eng mit unserer Expertise aus praxisnahen Forschungsprojekten verknüpft, in denen wir uns mit der Analyse und Nutzung von Reststoffen regionaler Produzenten beschäftigt haben. Bereits im Projekt „Culture in Residency“ an der TU Wien haben wir Abfallstoffe lokaler Betriebe im Raum Kärnten identifiziert und zur Herstellung von Prototypen im Bereich Keramik- und Lehmbaustoffe genutzt. Diese Erfahrungen flossen in die Entwicklung von „Material Perspectives“ ein und bestärken unseren Ansatz, gezielt industrielle Nebenprodukte als nachhaltige Baustoffe einzusetzen.

Unser Ansatz basiert auf der Entwicklung nachhaltiger Zementalternativen wie Geopolymeren und ergänzenden zementartigen Materialien (SCMs) mittels eines regenerativen, bioregionalen Konzepts. Dabei setzen wir auf Abfallprodukte wie Glasschleifschlämme und Keramikbruch, die sonst entsorgt werden müssten. Dieser Prozess reduziert den CO₂-Fußabdruck und schont gleichzeitig wertvolle Ressourcen, indem er konventionelle Baustoffe ersetzt.

Fallstudie Oberpfalz
Zentraler Bestandteil unserer Arbeit ist das Konzept des regenerativen Bioregionalismus, bei dem ungenutzte lokale Ressourcen und zirkuläre Prozesse in die Bauwirtschaft integriert werden. Das Konzept verfolgen wir mit einem systematischen Vier-Schritte-Prozess: Lokalisieren, Beschaffen, Definieren und Einbinden. Durch die Kartierung regionaler Ressourcen identifizieren wir geeignete Materialien, untersuchen ihre baulichen Eigenschaften und entwickeln sie experimentell weiter, um praxisnahe Anwendungsmöglichkeiten zu schaffen. Unsere Fallstudie in der Oberpfalz demonstriert, wie industrielle Nebenprodukte in hochwertige Baumaterialien umgewandelt werden können, die ökologisch und ökonomisch überzeugen. Der bioregionale Ansatz des Projekts bietet zudem ein skalierbares Rahmenkonzept, das weltweit an verschiedene Landstriche angepasst werden kann. Durch den Schwerpunkt auf lokal beschaffte, wiederverwertete Materialien ermöglicht unser Ansatz, die Abhängigkeit von konventionellen Baustoffen zu verringern und Kreislaufwirtschaften zu fördern.

Kooperationen
Für die erfolgreiche Umsetzung haben wir enge Kooperationen mit regionalen Industriepartnern wie BHS Tabletop, Bärnreuther + Deurlein, Nachtmann, Flachglas, Amberger Kaolinwerke und Additive Tectonics aufgebaut. In Zusammenarbeit mit der TU München und dem Fraunhofer-Institut für Biophysik wurden im Labor spezifische Rezepturen entwickelt und getestet, die den Einsatz dieser Materialien als nachhaltige Zementalternativen belegen. Unsere interdisziplinären Methoden und Ergebnisse bieten einen übertragbaren Ansatz, der auch in anderen Bioregionen Anwendung finden kann. Zudem wurden die Forschungsergebnisse in einer öffentlichen Ausstellung präsentiert und damit der Dialog zwischen Wissenschaft, Industrie, Politik und Gesellschaft gefördert – ein entscheidender Schritt, um gemeinsam eine zukunftsfähige, zirkuläre Architektur zu gestalten.