Leben in Kuben über dem Marktplatz: Der „Frankfurt Prototype“

Für den Preis eines Einfamilienhauses Wohn-, Arbeits- und Begegnungsraum für bis zu zehn Menschen schaffen? Um das zu erproben, entwickelten Studierende zweier Frankfurter Universitäten gemeinsam mit einem Team aus Architekt*innen und Ingenieur*innen ein zirkuläres Experimentierhaus.

Wie könnte die Zukunft des Wohnens und öffentlichen Raums in der Stadt aussehen? Der „Frankfurt Prototype“ erprobt auf dem Gelände des Naturmuseums Frankfurt ein neues Wohn-, Arbeits- und Begegnungskonzept. Das experimentelle Gebäude basiert auf Ideen und Entwürfen von Studierenden der Städelschule, betreut von Prof. Niklas Maak und der Klasse von Prof. Heinrich Lessing von der Frankfurt University of Applied Sciences. Bei der kostengünstigen und ökologischen Umsetzung des Entwurfs, der fast ausschließlich zirkuläre Materialien nutzt, unterstützten ein Team des Architekturbüros Barkow Leibinger und beratende Ingenieur*innen. Seit dem 2. Oktober 2024 ist der „Frankfurt Prototype“ für drei Monate im Innenhof des Senckenberg Forschungsinstituts zu besichtigen. 

Raus aus dem Rückzug

Erste Ideen zu einem Wohntypus, der den öffentlichen Raum einbezieht, entwickelte Niklas Maak gemeinsam mit Studierenden der Harvard Graduate School of Design. Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass sich Produktion, Handel und Arbeit zunehmend ins Digitale verlagern und Städte dadurch einen Wandel erfahren. Was bleibt von der Stadt, wenn Homeoffice und Online-Shopping den Alltag prägen? Wie können Wohnen und Arbeiten neu zusammenfinden? Mit seiner späteren Professur an der Städelschule nahm Niklas Maak diese Ideen gemeinsam mit seinen Studierenden wieder auf. An der Städelschule verfolgte Maak diese Ideen weiter. Ziel war es, Konzepte für bezahlbaren Wohnraum zu entwickeln, besonders für Geflüchtete und Menschen mit geringem Einkommen, angesichts hoher Immobilienpreise in Frankfurt. Ein 1:1-Mockup sollte zeigen, wie für den Preis eines Einfamilienhauses Wohnraum für bis zu zehn Menschen und Raum für neues soziales Leben entstehen könnte. 

Kleiner Wohnraum, große Flächen

Die Studierenden entwarfen ein modulares, erweiterbares Gerüst, in das sie verschiedene Einheiten einbauen konnten. Der aufgeständerte Bau sollte die Umgebung wenig beeinflussen und den Raum im Erdgeschoss öffnen. Eine Markthalle, gemeinsam mit Geflüchteten erarbeitet, sollte als „öffentliches Wohnzimmer“ dienen: Theaterbühne, Kino, Ausstellungsort und Marktplatz für nachhaltige Produkte und Diskussionen zur Lebensmittelversorgung der Stadt. Eine „grüne urbane Filterwand“ symbolisiert das Leben im Einklang mit der Natur. 

Zirkuläre Umsetzung

Barkow Leibinger setzte die studentischen Entwürfe in ein finanzierbares Projekt um und greift dabei die wesentlichen Elemente der Ideen auf. Die oberen Etagen des zweigeschossigen Bauwerks bestehen aus modularen, vorgefertigten Wohneinheiten, verkleidet mit aufbereitetem Schalungsholz. Diese Module, basierend auf Überseecontainern, lassen sich transportieren, zerlegen und wiederverwenden. Die flexible Konstruktion aus recyceltem Stahl ist rückbaubar. Die Verwendung zirkulärer Materialien erforderte eine aufwändige Materialbeschaffung und Zusammenarbeit mit spezialisierten Unternehmen. Alte Brückenschalungen, die eigentlich nicht mehr wiederverwendet werden dürften, wurden von den Studierenden gereinigt und aufgearbeitet. Diese Prozesse ermöglichten es ihnen, praktische Erfahrungen auf der Baustelle zu sammeln.

Für die „grüne urbane Filterwand“ setzten sich die Studierenden mit der Bepflanzung auseinander. Dabei war die programmatische Entwicklung dieses Gebäudeteils im gemeinsamen Entwurfs- und Bauprozess besonders interessant: Beteiligte aus wärmeren Regionen empfanden den offenen Bereich der Gerüstwand als nutzbaren Wohnraum und schlugen vor, ihn mit Hängematten auszustatten, um im Sommer auch hier Übernachtungsmöglichkeiten zu schaffen.

Perspektivisch flexibel

Der Prototyp wird vielseitig genutzt: Museum und Studierende etablierten ihn bereits als Treffpunkt, Veranstaltungs- und Ausstellungsort. Eine Nutzung der Kuben als Wohnraum ist derzeit nicht möglich, doch zeigt sich, dass eine flexible Umwidmung realisierbar ist: Temporäre Arbeitsräume des „Center for Contemporary Arts Afghanistan (CCAA)“ aus Kabul sind hier eingezogen, eine Initiative des afghanischen Malers und ehemaligen CCAA-Direktors Rahraw Omarzad, der mit zwanzig seiner Studierenden in der Nähe von Frankfurt im Exil lebt. Gespräche über die längerfristige Betreuung des Projekts laufen und bieten Perspektiven für eine verlängerte Nutzung vor Ort.