Kollektiver Plan für tierischen Unterschlupf: „A Multi-Species Shelter“

Fernab der Stadt und inmitten von Felsen und Bergen haben Studierende im Rahmen einer Sommerakademie in Armenien einen skulpturalen Schutzraum für Bewohnende jeglicher Art geschaffen.

Menschen sollten sich an der Gestaltung der Welt, in der sie leben, beteiligen. Dies funktioniere jedoch nur im Dialog mit den Lebewesen, mit denen sie die Umwelt teilen. Dieser Idee folgte das Team des schweizerisch-portugiesischen Architekturforschungsbüros BUREAU und der Initiative NPATAK. Gemeinsam mit 15 armenischen und internationalen Studierenden entwarfen sie das Projekt „Multi-Species Shelter“ und realisierten es während eines dreiwöchigen Workshops im Sommer 2024. Entstanden ist ein Unterschlupf inmitten der Natur für jegliche Art von Bewohner*innen. Der Workshop fand in den ersten fünf Tagen in der Library for Architecture in Jerewan statt und wurde anschließend im Caucasus Wildlife Refuge, einem 30.000 Hektar großen Naturschutzgebiet im Südkaukasus, fortgesetzt.

Literarischer Ansatz

Woher stammt die Idee, eine von Menschenhand geschaffene Behausung inmitten der Natur zu errichten? Das Projekt ist Teil einer von BUREAU initiierten architektonischen Trilogie, die auf dem Roman „Derborence“ von Charles Ferdinand Ramuz basiert. Der Roman schildert die Auswirkungen eines Erdrutsches auf eine Dorfgemeinschaft in der Schweiz – ein historisches Ereignis aus dem Jahr 1714, bei dem 15 Menschen und 170 Tiere ums Leben kamen. Bemerkenswert ist, dass auch der Tod der Tiere dokumentiert wurde. Dieser Ansatz inspirierte das Architekt*innen-Team zu einer architektonisch-künstlerischen Umsetzung der Erzählung, die insbesondere den Schutz des Tierlebens einbezieht. Daraus sind drei Projekte entstanden: eines in einem Skulpturenpark in den Schweizer Bergen, ein zweites in einer Künstler*innengemeinschaft in Frankreich und schließlich das „Multi-Species Shelter“ in Zusammenarbeit mit Studierenden in den Bergen Armeniens.

Kollektive Baustelle in sengender Hitze

Das pädagogische Konzept des Projektes legte besonderen Wert auf den Prozess und weniger auf das Ergebnis. Die Sommerschule sollte die angehenden Architekt*innen weg vom Bildschirm und hin zur Praxis vor Ort in direktem Bezug zu Flora und Fauna führen – in diesem Fall in die Felsenlandschaft zwischen wilden Hunden, Pferden, Geiern, Insekten und Schlangen. Die Teilnehmenden mussten sich in Form einer temporären Gemeinschaft organisieren, um drei Wochen lang in völliger Abgeschiedenheit zusammenzuleben und unter teils sengender Hitze auf improvisierter Baustelle eine Konstruktion zu errichten.

Felsiger Schutzraum für jede Spezies

Entstanden ist schließlich eine neun Quadratmeter große Hütte, die mit lokalen Materialien gebaut wurde. Der mit Stroh und Lehm bedeckte Stein- und Holzbau soll optisch an die Form eines Felsens erinnern. Das Programm des kleinen Bauwerks ist nicht vorgegeben, außer dass es dauerhaft offen bleiben soll. Quasi multifunktional – je nach Art, Größe und Anzahl der Bewohner*innen, die sich darin oder darum herum aufhalten, kann es als Unterschlupf, Hügel oder Orientierungspunkt dienen.