Hochzeit von Pilz und Ton: Forschung zu Tonkompositionen auf Mycel-Basis
Von der Materialforschung ins Museum: Ein Team aus Graz entwickelte einen Kompositbaustoff aus Ton, organischem Substrat und Myzelium – und brachte ihn bereits in Ausstellungen, Workshops und an so manche Fassade.

Mit dem Projekt „MyCera“ entwickelten Forschende des Instituts für Architektur und Medien (IAM) der Technischen Universität Graz neuartige myzeliumbasierte Tonverbundstoffe (MBCCs). Ziel war es, nachhaltige Werkstoffe aus Ton, Myzelium und landwirtschaftlichen Abfällen zu schaffen. Die Forschenden analysierten, wie sich Myzeliumarten und Substrate auf die Porosität und Stabilität des Baustoffs auswirken – und wie er schließlich eingesetzt werden kann. Darüber hinaus machte das Team den Forschungsprozess und die Ergebnisse in Ausstellungen einem breiten Publikum zugänglich.

Pilziger Verbund
Im Mittelpunkt der Materialforschung stand die Verbindung biologischer Wachstumsprozesse mit digitalen Fertigungsmethoden. Myzelium, das Geflecht von Pilzen, kann wie eine natürliche Bewehrung wirken. Mit seinen feinen Hyphen – den fadenförmigen Zellen der Pilze – stabilisiert es lose Partikel zu festen Strukturen. Dazu wird dem Ton der Pilz erstmal „eingeimpft“. Beim Wachsen der organischen Struktur im Ton entsteht eine biomineralisierende Verbindung, die die Festigkeit ungebrannter Bauteile erhöht. Die Hyphen schaffen dabei Porenstrukturen, die die Dichte und Stabilität des Materials beeinflussen. Außerdem untersuchten die Forschenden, wie Substratmischungen aus landwirtschaftlichen Abfällen und Ton die Nährstoffversorgung des Myzeliums und damit die Materialstruktur verbessern können.
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf gebrannten Varianten der entstandenen Verbundstoffe: Beim Brennen zerfallen die organischen Bestandteile des Myzeliums und hinterlassen ein charakteristisches Porenmuster. Es entsteht ein poröses Bauteil, das deutlich leichter ist und eine verbesserte Wärmedämmung besitzt.

Die Wahl der Myzeliumarten und die Steuerung der Wachstumsbedingungen erlaubten eine gezielte Anpassung der Materialeigenschaften. Digitale Fertigungsmethoden wie 3D-Druck profitierten von der plastischen Formbarkeit des Tons und der Festigkeitssteigerung durch das Myzelium. Sowohl gebrannte als auch ungebrannte Varianten böten vielseitige Einsatzmöglichkeiten in der Architektur.

Myzel als Exponat
Die chemischen Prozesse erschienen erstmal komplex und die Vorstellung, dass Pilze und Ton eine Wand bilden könnten, ungewöhnlich. Deshalb wollte das Team die Ergebnisse und Anwendungsmöglichkeiten anschaulich vermitteln und zeigte sie in Ausstellungen in ganz Europa.
Im Europäischen Parlament in München präsentierte das Team zum Beispiel „Felix“. Dieses Modul lässt sich einzeln nutzen oder zu Säulen und Pfeilern stapeln. Seine röhrenartige Struktur wird mit Myzel als Bindemittel gefüllt, wodurch stabile Einheiten entstehen. Das Materiallabor im Ars Electronica Center in Linz zeigt die Kompositstoffe und veranschaulichte die Herstellungsschritte – im Pilzmuseum in Zagreb findet eine Dauerausstellung mit Exponaten der Forschenden statt.

Poröse Strukturen für Insekten
MyCera initiierte auch Nachfolgeprojekte, die konkrete Anwendungen weiterdenken und architektonische Elemente entwickeln. In einem Workshop namens „I.N.S.E.C.T“ entwarf ein Teil des MyCera-Teams einen Prototypen für die Fassade des Hubs for Biotechnology in the Built Environment (HBBE) in Newcastle – speziell für Insekten. Die Gestaltung orientierte sich an den Bedürfnissen der kleinen Lebewesen; die Porosität und Textur des Materials schufen eine ideale Oberfläche zum Nisten und für Mikroben. „Beeing, Beecoming“, das Nachfolgeprojekt des Workshops, untersuchte die Beziehungen zwischen Arten. Dabei schuf das Team im Club Hybrid der TU Graz ein Insektenhabitat, das algorithmisches Design, 3D-Druck mit Ton und Myzelium kombiniert. Die Skulptur, die als Nistplatz für verschiedene Insekten dient, ist dabei selbst eine lebende Struktur: Sie verändert sich durch die Tiere, aber auch durch Feuchtigkeit, Regen, Sonnenlicht und insbesondere das Pilzwachstum als auch durch deren Zerfall.
