„Fab Tree Hab“: Unterschlupf für Mensch und Tier

Was von Weitem wie ein Mammutskelett anmutet, ist eine Struktur der Forschungsgruppe „Terreform One“, die teils kreiert und teils gewachsen ist. Das ungewöhnliche Bauwerk soll verschiedenen Spezies als Aufenthalts- und Lebensraum dienen.

1753 veröffentlichte der französische Architekturtheoretiker Marc-Antoine Laugier eines der bekanntesten und meistgelesenen Traktate des 18. Jahrhunderts. In seinem „Essai sur l’architecture“ bezieht er sich auf Vitruvs Konzept der Urhütte: Eine simple Struktur aus Baumstämmen und Ästen, die Obdach bietet und stellvertretend für die Anfänge der Architektur steht. Die Forschungsgruppe „Terreform One“, die sich aus einem Forschungsprojekt am Massachusetts Institute of Technology (MIT) bildete, hat sich dieses antike Konzept zum Vorbild genommen und eine skelettartige Holzstruktur errichtet. Im Sinne der Urhütte soll das „Fab Tree Hab“ die einst starke Beziehung zwischen Mensch und Natur wiederbeleben. Gelegen ist das Bauwerk unweit des „Storm King Art Center“ im Südosten des Bundesstaates New York.


Gebaut und gewachsen

Der Unterschlupf besteht aus einer leicht erhöhten Plattform, auf der das Team unterschiedlich große Träger positioniert hat. Letztere erinnern in ihrer Form an überdimensionierte Wünschelruten und sind aus Brettsperrholz gefertigt. Für das aus Holzstützen bestehende Punktfundament wurde nahezu vollständig auf Beton verzichtet. Die modularen Fassaden bestehen aus Zedernholz und Jute, die mit Bienenwachs und Kiefernharz behandelt wurden. Als Wandelemente dient eine Kombination aus handgemachten, gehäkelten Jutefasern und 3D-gedruckten Volumina aus Bioplastik. Eine Besonderheit der Konstruktion sind die Weidenbäume, die entlang der langen Seite der Plattform gepflanzt wurden und das Bauwerk stützen sollen.


Ein Prototyp für mehr Biodiversität

Das Bauwerk soll in erster Linie Flora und Fauna als Habitat dienen. Vögel und Kleintiere können sich in den vielen kleinen Öffnungen an der Fassade einnisten. In den größeren Gefäßen sollen Pflanzen wachsen. Die Forschungsgruppe erhofft sich, mit dem Prototyp zu demonstrieren, dass andere Spezies nicht zwangsläufig durch Architektur verdrängt werden müssen, sondern dass es möglich ist, Lebensräume zu schaffen, in denen Menschen, Tiere und Pflanzen koexistieren. Die erklärte Idee dahinter ist, dass das Bauwerk von Mensch und Natur gemeinsam geschaffen ist und auch gemeinsam genutzt werden kann.


Der Natur näherkommen

Die Intention hinter dem Projekt besteht laut Angaben des Forschungs-Teams darin, die Hemmschwelle zur Natur abzubauen. Vor allem Menschen, die in urbanen Umgebungen aufgewachsen sind, haben häufig keinen Bezug mehr zur Natur. Künftig sollen Schüler*innen und Studierendengruppen die Struktur besichtigen können. Das Bauwerk soll den Besuchenden die Wichtigkeit von Biodiversität und nachhaltigem Bauen vor Augen führen. Das Ziel ist, den Pavillon öffentlich zugänglich zu machen und Führungen anzubieten.