Everyday Matters: Studio über das Alltägliche

Im Rahmen des Studios „Everyday Matters“ erforschten Studierende die Banalität und Vielfalt des Alltags. Durch interdisziplinäre Methoden entstanden persönliche Fotoserien und vielfältige Interventionen.

Aus dem Alltäglichen lernen: Das Fachgebiet FG Hehl an der TU Berlin erforschte im Wintersemester 2022/23 Alltagsroutinen der Stadtperipherie. Unter der Leitung von Marta Fernandez Guardado und Prof. Rainer Hehl entstanden vielfältige und unkonventionelle Entwürfe für selbstgewählte Orte. Ziel war es, aus subjektiven Erfahrungen und Erzählungen zu lernen und alltägliche Praktiken sowie aktuelle Veränderungen an den Rändern der Stadt zu erforschen. In Kooperation mit Fotografin Zara Pfeifer erarbeiteten die Studierenden bei einem Fotorecherche-Seminar die Grundlage der detaillierten Feldstudien interdisziplinär. Im Ergebnis entstand ein breites Spektrum an unterschiedlichen Orten und persönlichen Geschichten, die am Ende des Kurses im BHROX bauhaus reuse Pavillon ausgestellt wurden. 

Die Kamera als Werkzeug 

Den Auftakt des Studios bildete ein Fotorecherche-Seminar, das Zara Pfeifer parallel an der TU Berlin und TU Wien, im Rahmen des Projektes On Site der Abteilung Wohnbau und Entwerfenabgehalten hat. Insgesamt 38 Studierende erforschten hierbei selbstgewählte Orte und nutzten die Kamera als Recherchetool. Durch Gespräche mit den Anwohner*innen und Nutzer*innen sollten deren Perspektiven untersucht und verstanden werden. Die zahlreichen Begehungen und unterschiedlichen Erfahrungen brachten persönliche Fotoserien hervor, die von einem Motel an der Autobahn über einen „Grillbus“ in Johannisthal bis hin zu innerstädtischen Brachflächen reichten. Über die Zeit hatten die Studierenden nicht nur die einzelnen Räume kennengelernt, sondern auch eine persönliche Beziehung zu den Nutzer*innen aufgebaut. So wurden die spezifischen Bedürfnisse der Menschen vor Ort wurden deutlicher. Für die Teilnehmenden des Studios „Everyday Matters“ diente diese intensive Dokumentation als Grundlage für den weiteren Designprozess. 

Subjektivität als wissenschaftliche Grundlage 

„What matters to you?“ Im Mittelpunkt der Entwurfsphase stand die Subjektivität. Neben der Suche nach dem eigenen Ort wurden für die Planung individuelle Designmethoden entwickelt. Der Fokus lag hierbei stets auf dem Narrativ. Wie erleben und wie nutzen die Menschen vor Ort den Raum? Das erlangte Erfahrungswissen wurde regelmäßig in multimedialen Präsentationen vorgestellt. Hierbei wurde die Gemeinschaft des Studios grundsätzlich als wichtiger Bestandteil des Lern- und Lehrinhalts gesehen. Besonders war, dass die Vorgehensweisen und Ergebnisse des Entwurfs in der Planung offengehalten wurden. Geleitet durch verschiedene Schritte – den sogenannten „Moves“ –, sollten die Studierenden eigens auf den Ort zugeschnittene Designtools und Manifeste entwickeln. Die interdisziplinäre Grundlagenermittlung mündete in aktivistische Interventionen. Die Ergebnisse könnten unterschiedlicher nicht sein: Während eine Studentin über einer Woche ein abgestelltes Sofa dokumentierte, begleitete eine andere Gruppe eine alleinerziehende Mutter auf ihren stundenlangen Wegen durch die Stadt. 

Aus dem Alltäglichen lernen 

Die einzelnen Projekte können als Feldstudie neuer urbaner Formen gelesen werden. Es kommt die Frage auf: „Was können wir aus dem Alltäglichen für die Architekturproduktion und kritische Raumpraxis lernen?“ Sicher ist, dass die Ausstellung „Everyday Matters“ viele zum Staunen und Schmunzeln gebracht hat. Es wurden erfrischende Perspektiven architektonischer Praktiken gezeigt, mit einer großen Nähe zu den Anwohner*innen und Nutzer*innen der unterschiedlichen Orte. Auf mehreren Metern Stoff wurde das Konzept einer Boot-Community zeichnerisch dargestellt, während nebenan ein Stop-Motion Film zu einer „Neighbourhood Bastion“ lief.  Es gab einen Werbefilm zur Aktivierung eines wenig besuchten Shopping-Centers und eine Installation im Badezimmer zum Thema Hygiene im öffentlichen Raum. Während die Konfrontation des Gewöhnlichen häufig auf den ersten Blick eintönig erscheint, weisen hier elf Arbeiten eindrücklich die Besonderheiten und Potenziale des Alltags auf.