Entwerfen für Mensch, Schnecke und Spinne: Ein Studio zu Cohabitation
Spinnen und andere Krabbeltiere wünschen sich die meisten sicher nicht als Mitbewohner*innen. Welche Potenziale geteilter Wohnraum mit anderen Spezies birgt, erkundeten Genfer Studierende im Studio „Permeable Species“.

Historisch gesehen ist die strikte Trennung von Wohnraum für Menschen und Tiere ein relativ neues Konzept. Noch vor nicht allzu langer Zeit lebten Menschen und Tiere – von Haustieren mal abgesehen – gemeinsam unter einem Dach, und in vielen Regionen der Welt ist das noch immer der Fall. Wie wäre es also mit einer Schnecke als Mitbewohnerin? Studierende der Innenarchitektur an der Haute École d'art et de Design Genève (HEAD) erkundeten im Rahmen des Studios „Permeable Species“ die architektonischen Potenziale des speziesübergreifenden Zusammenlebens. Geleitet wurde die Lehrveranstaltung von Daniel und Galliane Zamarbide vom schweizerisch-portugiesischen Architekturforschungsbüro BUREAU.

Konkurrenz oder Koexistenz?
„Permeable Species“ bildet den Teil einer größeren Forschungsreihe, an der BUREAU arbeitet. Diese startete 2023 an der Laval School of Architecture in Kanada unter dem Titel „Nous Avons Failli Commencer Sans Vous“ (dt. Wir hätten fast ohne euch angefangen). Das Team von BUREAU untersucht darin, wie räumliche Bedingungen unsere Beziehung zu anderen Spezies beeinflussen, wie wir diese neu denken und verbessern können. Dabei erforschen sie Wege der Koexistenz und erproben unkonventionelle Ansätze und Werkzeuge. Erklärtes Ziel ist es, architektonische und gestalterische Lösungen für eine neue Form der Koexistenz von Mensch und Tier zu schaffen. Mensch und menschengemachter Raum gelten nicht als Gegensatz zur Natur, sondern als ihr integraler Bestandteil.

Virtuell und physisch
Die Studierenden arbeiteten mit zweierlei Medien: Film und physischem Objekt. Dafür hat sich jede*r Teilnehmer*in eine Tierart ausgesucht, zu der sie*er im Laufe des Seminars eine eigene Beziehung entwickeln sollte. Die Wahl des Tieres wurde meist aus ganz persönlichen Gründen getroffen. Beispielsweise hat sich eine Studentin, die an einer Arachnophobie leidet, bewusst die Spinne ausgesucht, um sich mit ihrer Angst auseinander zu setzen. So entstanden höchst unterschiedliche, teils experimentelle Filme. Beispielsweise zeigt eines der Videos zehn Minuten lang einen schlafenden Mann, über dessen Gesicht im Zeitraffer eine Weinbergschnecke kriecht. Ein anderes, das sich mit Flusskrebsen beschäftigt, erinnert eher an einen Dokumentarfilm über die Schalentiere. Die Objekte, die die Studierenden gestaltet haben, tauchen mal in den Filmen auf, mal besteht lediglich ein indirekter Bezug zwischen Gegenstand und Video. Die Studierende, die sich mit Spinnen befasst hat, stellte etwa in Anlehnung an Spinnennetze eine Leinwand aus Zucker her, auf die sie den Film projizierte.
Keine anonymen Nachbarn
Die Seminarergebnisse zeigen eindrücklich, dass Menschen und Tiere nicht getrennt voneinander, sondern miteinander existieren. Für diese Beziehung sollten mehr architektonische und gestalterische Lösungen entstehen. Die Teilnehmer*innen von „Permeable Species“ setzten sich auf künstlerische Art und Weise mit der Relation von Mensch und Tier sowie deren Konsequenzen für die gebaute Umwelt auseinander. Auch wird in den Arbeiten die Frage verhandelt, inwieweit eine strikte Trennung von Innenraum und Natur überhaupt noch zeitgemäß ist. In Zukunft plant BUREAU, das Seminarthema im Rahmen des Masterprogramms der HEAD weiterzuentwickeln.