Ein Heizhaus erblüht: Das Forschungsprojekt Green Pioneers

Mit Torfmoos aus Paludikultur verwandelten Studierende ein Magdeburger Heizhaus in eine grüne Oase. Die begrünte Fassade kühlt, verbessert das Mikroklima und schafft wertvollen Lebensraum für Insekten.

Was kann Stadtgrün leisten? Das Projekt Green Pioneer am Heizhaus in Magdeburg liefert eine Antwort. Prof. Wolfram Kircher und Alexander Bieß von der Hochschule Anhalt Bernburg entwickelten gemeinsam mit Studierenden ein Vertikalbegrünungssystem mit Torfmoosen aus Paludikultur. Moos, Gräser und blühende Pflanzen ranken nun an der einst tristen Fassade des Heizhauses empor. Diese Moose speichern nicht nur erhebliche Mengen Wasser, sondern reaktivieren zugleich Moorlandschaften als CO₂-Senker – ein doppelter Gewinn für Stadtklima und Klimaschutz. Die Heinrich-Böll-Stiftung zeichnete das Projekt als eines der zukunftsweisenden Klimaanpassungsprojekte Deutschlands aus. 

Studierende forschen, pflanzen, gestalten

Bevor am Heizhaus die ersten Pflanzen wuchsen, sammelten die Studierenden im Rahmen zweier Exkursionen nach Armenien und Georgien, geleitet von Prof. Kircher, Erfahrungen zum Thema klimaresiliente Städte: In Jerewan bauten sie eine erste kleine Fassadenbegrünung, in Tiflis besuchten sie das Umweltinstitut CENN. Die Erkenntnisse der Forschungsreise flossen direkt in die Fassadenbegrünung in Magdeburg mit ein.

Im Pilotprojekt Green Pioneers nahm die Studentin Luzie Stein eine Schlüsselrolle ein. In ihrer Bachelorarbeit untersuchte sie die Entwicklung der Vegetation an der Fassade wissenschaftlich: Welche Pflanzen setzen sich in den verschiedenen Zonen durch und welche werden verdrängt? Und wie beeinflussen Lichtverhältnisse, Himmelsrichtungen und Mikroklima das Wachstum? Ihre Arbeit legte die Grundlagen für die Weiterentwicklung des Systems.

Technik trifft Gestaltung

Doch wie konstruiert man eine langlebige, begrünte Wand, die gleichzeitig ästhetisch ist? Das Team von Green Pioneers entwickelte eine modulare Struktur aus Metallkörben, die sich flexibel an unterschiedliche Wandaufbauten anpasst. Auch gestalterisch wurde das Heizhaus zum Blickfang: Das Künstlerkollektiv STRICHCODE gestaltete gemeinsam mit Alexander Bieß ein Wandgemälde, das Farben und Strukturen der Vegetation aufgreift. Gemeinsam legten sie Blühfarben fest, setzten Kontraste mit Orange und passten die Pflanzflächen geometrisch an das Mural an. Studierende, Nachbar*innen und sogar eine Schulklasse halfen bei der Bepflanzung. 

Torfmoos als urbaner Klimaretter

Seit 1997 erforscht die Hochschule Anhalt in Bernburg neuartige Pflanzenverwendungen. Hier wurde auch das Konzept der bepflanzten Wand – der sogenannten Living Wall – getestet. Torfmoose (Sphagnum) spielen dabei eine zentrale Rolle: Sie speichern über 500 Liter Wasser pro Kubikmeter, kühlen die Umgebung und schaffen ideale Wachstumsbedingungen für Pflanzen. Die Fassadenbegrünung vereint zwei Vegetationszonen: eine 20 Quadratmeter große Moorlandschaft mit Kranbeeren und Schildfarnen sowie eine 37 Quadratmeter große Staudenwiese mit sonnenliebenden Arten. Ein Bewässerungssystem mit sieben unabhängigen Zonen nutzt Regenwasser effizient und versorgt die Pflanzen bedarfsgerecht. 

Vom Hochschulprojekt zum Start-up

Aus dem Erfolg des Projekts entstand das gleichnamige Start-up Green Pioneers. Ziel ist es, die Technologie weiterzuentwickeln und auf den Markt zu bringen. In Kooperation mit der Hochschule Anhalt Dessau und weiteren Forschungseinrichtungen arbeitet das Team an neuen Substraten, erweiterten Pflanzensystemen und kosteneffizienten Konstruktionsweisen.  Folgeprojekte sind in Planung, wie etwa ein EU-gefördertes Vorhaben zur klimaangepassten Begrünung, bei dem Prof. Stefan Reich der Hochschule Anhalt Dessau als beratender Bauingenieur mitwirkt.