Die Straße gehört allen: Das Straßenraumexperiment „Steinhuber Miniblock“
Mit nachhaltigen Mobilitätskonzepten und Maßnahmen zur Aktivierung des öffentlichen Raums transformiert das Pilotprojekt in München eine steinerne Kreuzung in eine lebendige Nachbarschaft.
Was mit den „Superblocks“ unlängst als urbanes Experiment in Barcelona startete, hat sich bereits als zukunftsweisendes Modell für eine nachhaltige Stadtentwicklung etabliert. Nun wagte auch München das Experiment, zum ersten Mal als Pilotprojekt im „Mini“-Format. Unweit von der Technischen Universität München (TUM) entfernt eröffnete Ende Juli 2023 der „Steinhuber Miniblock“ – die größte von neun bürgerschaftlichen Interventionen, die das Mobilitätsreferat der Landeshauptstadt München gefördert hat. Initiiert und begleitet wurde das Projekt von Ana Rivas De Gante vom Lehrstuhl für Siedlungskultur und Verkehrsplanung der TUM, derzeit unter der stellvertretenden Leitung von Benjamin Büttner. Bis Ende Oktober können Besucher*innen den transformierten Stadtraum erleben.
Taktische Stadtplanung für einen lebenswerten urbanen Raum
Dem Ansatz des Tactical Urbanisms folgend, kurzfristige und kostengünstige Interventionen im Stadtraum mit langfristiger Auswirkung zu etablieren, aktiviert auch der Steinhuber Miniblock zwei Straßenabschnitte mit gezielten Maßnahmen. Dem Projekt liegt ein ganzheitliches Mobilitätskonzept zugrunde, das öffentlichen Raum, Stadtgrün und Aktivitäten im Freien für die Nachbarschaft einbezieht.
Die Umwandlung der Verkehrswege in öffentlichen Raum bedarf in erster Linie einer Entschleunigung des Autoverkehrs auf den beiden Straßenabschnitten, gepaart mit alternativen Mobilitätsangeboten. So sieht beispielsweise das Projekt vor, Anrainer*innen bei den lokalen Bikesharing-Anbietern freie Minuten zu gewähren. An den zwei Eingängen des Miniblocks richteten die Organisator*innen Parkflächen für Mikromobilität und Carsharing sowie eine Lieferzone ein.
Zehn Parklets – temporäre Stadtmöblierungen aus Holz – tauschten Parkplätze gegen öffentlichen Raum für die Nachbarschaft ein und wurden so zu Katalysatoren urbaner Aktivitäten. Neue Sitzgelegenheiten, ein Verschenkschrank, eine Fahrradreparaturstation, eine Tischtennisplatte oder ein Schwarzes Brett für die niedrigschwellige nachbarschaftliche Kommunikation und Urban Gardening-Beete verwandeln die Verkehrs- in Aufenthaltsfläche.
Für die schnelle Umsetzung des Projektes setzten sich 20 internationale studentische Teilnehmer*innen der Summer School „Remaking the Street“, ein. Sie beteiligten sich aktiv an den Vorbereitungen und dem zweitägigen Aufbau der Miniblock-Einrichtungen.
Eine Maxi-Party für den Miniblock
Am 28. Juli eröffnete der Steinhuber Miniblock in feierlicher Stimmung. Studierende, Forschende, Anwohner*innen und die breite Öffentlichkeit nahmen an dem Straßenfest mit hochkarätigen internationalen Gästen teil. Eingeladen zur Miniblockparty waren u. a. der französisch-kolumbianische Urbanist und assoziierter Professor am IAE Paris-Sorbonne Carlos Moreno, der das Prinzip der „15-Minuten-Stadt“ formuliert hat, Xavier Matilla, Professor an der Universitat Politècnica de Catalunya und ehemaliger Chefarchitekt der Stadt Barcelona sowie Marco te Brömmelstroet, Leiter des Lehrstuhls für die Zukunft der städtischen Mobilität an der University of Amsterdam. Die inhaltsreichen Vorträge boten Anlass für offene Diskussion und Unterhaltung in entspannter Atmosphäre. Geblieben nach dem Event ist eine Straße, imprägniert mit einer neuen Identität.
Zukunftsvision und Skalierung
Das akademische Pilotprojekt veranschaulicht, wie unser Leben in der Stadt auch aussehen könnte: Eine nicht ausgesprochen schwer zu erreichende Realität von autoreduzierten Wohnvierteln mit konsumfreien, inklusiven öffentlichen Begegnungsräumen. Um aus dem Experiment zu lernen und Empfehlungen für eine Skalierung der Intervention auf Quartier- und Stadtebene herzuleiten, dokumentiert und bewertet das TUM Projekt Street Experiments Tool (SET) den Erfolg des Miniblocks.