Bildhafte Architekturatmosphären: Lion Schreiber über die Welt der Visualisierungen

Raum in Bildsprache übersetzen – darauf hat sich Lion Schreiber spezialisiert. Dabei hat er eine Vielzahl von Techniken erkundet, von Handskizzen bis hin zu KI-generierten Bildern. Seinen persönlichen Zugang zu Architekturvisualisierungen beleuchtete er im folgenden Gespräch.

Lion Schreiber, Architekt und Gründungsmitglied der Gruppe 030, ist auf Visualisierungen spezialisiert. Sein Studium absolvierte er an der RWTH Aachen, der Arkitektur og designhøgskolen in Oslo und der Bauhaus-Universität Weimar. Nach dem Abschluss sammelte er Erfahrung in international renommierten Architekturbüros wie Bruno Fioretti Marquez und David Chipperfield Architects. Seit 2021 lehrt er zudem an der TU Dresden, bei Löser Lott Studio. Im Gespräch mit baunetz CAMPUS (bC) gab Lion Schreiber (LS) Einblicke in seine facettenreiche Auseinandersetzung mit Bildern. 

bC: Wie entstand Ihr Interesse an architektonischen Bildern und Visualisierungen?

LS: Viele Visualisierer*innen kommen normalerweise aus dem Bereich der Fotografie. Ich hingegen komme aus der Welt des Zeichnens. Im Studium habe ich das manuelle Zeichnen im Skizzenbuch lieben gelernt und mache es bis heute gerne, um Orte zu erkunden.

bC: Aber heutzutage arbeiten Sie auch anders mit Bildern …

LS: Ich arbeite gleichzeitig auf drei Ebenen: Zum einen erstelle ich als entwerfender Architekt auch Bilder für unsere Projekte im Büro Gruppe 030. Darüber hinaus erstelle ich Bilder für Dritte. Visualisierungen dienen mir aber auch als Entwurfswerkzeug. Dies hat verschiedene Ebenen und Momente: Es gibt das schnelle Skizzieren – in dem Moment, auf dem Papier, während des Sprechens quasi. Dann gibt es natürlich auch das anspruchsvollere Bild, das viele Stunden bis Tage erfordert, um es zu erstellen.

Bei meinen frühen Erfahrungen mit der Erstellung digitaler Visualisierungen im Büro hatte ich immer das Gefühl, dass man sich im Bild die Dinge „schönredet“, indem man versucht, sie so darzustellen, wie sie vielleicht gar nicht sind. Nach Realisierung der Projekte habe ich festgestellt, dass die gebauten Räume und Gebäude genau so oder sehr ähnlich aussahen wie auf dem Bild. Mir ist dann klargeworden, dass man sich beim Bildermachen nicht selbst betrügt, sondern das Bild so gestaltet, damit das Gebäude später identisch wird. Die Tatsache, dass Visualisierungen das spätere Aussehen des Gebäudes maßgeblich beeinflussen, fand ich faszinierend. Das war ein Schlüsselmoment beim Entwerfen mit dem Bild.

bC: Welche Techniken setzen Sie dafür ein?

LS: Meistens wechsle ich zwischen Handzeichnungen und digitalen Techniken hin und her. Von Hand kann ich schnell eine Bildidee kommunizieren und räumlich prüfen. Am Computer kann ich mit Farben, Materialien, Strukturen, Rhythmen oder Formen experimentieren.

bC: Geben Sie diese Erkenntnis auch in der Lehre weiter? Ermutigen Sie Ihre Studierenden, Visualisierungen als Werkzeug zu nutzen?

LS: Ich versuche, den Studierenden beizubringen, dass sie das Erstellen von Bildern als zusätzliches Mittel frühzeitig in ihre Entwurfsprozesse integrieren sollten. Es ist nicht etwas, das man erst am Tag vor der Abgabe macht. Es geht immer um das räumliche Erleben und darum, eine Repräsentation des Entwurfs zu schaffen, die über den reinen Grundriss hinausgeht.

bC: Was macht Ihrer Meinung nach ein Bild einzigartig?

LS: Wenn es nicht den Charakter des Austauschbaren hat. Wenn es das Gefühl von Handwerklichkeit vermittelt – dass jemand daran gearbeitet hat. Dadurch wirkt es nicht austauschbar.

bC: Sie verwenden nun auch künstliche Intelligenz (KI) für das Erstellen von Bildern. Wie kam es dazu und wo liegen die Vorteile?

LS: Vor etwa anderthalb Jahren hat mich ein Bekannter aus der Werbebranche darauf aufmerksam gemacht: „Schau dir das mal an, es erstellt verrückte Bilder, sieht irgendwie spannend aus!“ Aus reiner Neugier begann ich, mit KI zu experimentieren – zuerst mit DALL·E und später mit Midjourney, was sich weiterhin lohnt. Je mehr ich mich damit beschäftigte, desto faszinierender wurde es, da sich die Technologie rasant verbesserte.

Zu Beginn war ich ganz schön deprimiert: Wir werden nun alle arbeitslos, dachte ich. Nach dieser anfänglichen Skepsis wurde mir jedoch klar, dass es die Technologie weiterhin geben wird, auch wenn ich sie selbst nicht nutze. Anstatt mich davon überholen zu lassen, habe ich beschlossen, damit zu arbeiten und aktiv zu nutzen, was ich weiterhin tue.

bC: Wofür setzen Sie KI konkret ein?

LS: Ich nutze die KI wie einen Sparringpartner, einen Assistenten. Ich kann Stimmungen erzeugen, nach Szenen suchen oder damit konkrete Elemente für ein Bild – wie beispielsweise Staffagen – schnell, einfach und zielgerichtet erstellen. Bibliotheken, die ich mir über die Jahre aufgebaut habe, werden zunehmend weniger relevant. Ich kann meine Bedürfnisse konkret eintippen, und nach zwei oder drei Versuchen liefert mir die KI ein Bild, das zwar fast immer noch weiterbearbeitet werden muss, aber meistens schon sehr brauchbar ist. Wenn ich eine Vorstellung verbalisieren kann, erhalte ich Ergebnisse. Das macht die Arbeit einfacher, es geht schneller als googeln. Deshalb glaube ich nicht mehr, dass mich die KI arbeitslos machen wird, sondern im Gegenteil, die Technologie hilft mir.

Am Ende wird es immer darum gehen, Entscheidungen zu treffen. Der Skill, Informationen zu sortieren und Ergebnisse zu bewerten, wird immer wichtiger.

Kürzlich bat mich ein Bauherr, ein Bild für ein Projekt zu generieren, das in einer sehr frühen Phase stand – es gab noch keinen Entwurf. Er hatte eine vage Vorstellung, die jedoch nicht architektonisch war, sondern nur textlich vorlag. Auf dieser Grundlage hatte ich jedoch ein architektonisches Bild im Kopf, dass ich wiederum textlich beschreiben konnte. Man hätte diese Aufgabe auch mithilfe von Skizzen oder Referenzbildern lösen können. Ich habe mich jedoch in diesem Fall für das Arbeiten mit der KI entschieden, und so begann ein iterativer Prozess zwischen mir und der Maschine. Die Ergebnisse haben mich positiv überrascht. Eine andere Person hätte etwas völlig Anderes aus der Maschine geholt. Und das stimmt mich sehr hoffnungsvoll: Es spielt eine Rolle, wer an der Tastatur sitzt.

Wie sollte die Lehre auf die rasante Entwicklung der KI reagieren? Gibt es möglicherweise einen Nachholbedarf?

Wir haben noch keine Antwort darauf, und es gibt noch keine erprobte Strategie oder Erfahrungen. Offensichtlich müssen wir uns auch im Studium damit auseinandersetzen. Die Frage ist aber, in welchem Umfang und vielleicht auch in welchem Semester.

bC: Wie schätzen Sie die nächsten Schritte in der Auseinandersetzung mit KI ein?

LS: Ich glaube, dass wir in naher Zukunft noch viel mehr aus der Technologie herausholen können. In meiner Arbeit bin ich jedoch noch weit davon entfernt, beispielsweise 3D-Modelle einzuspeisen – vorläufig nutze ich nur Text zu Bild oder Bild zu Bild. Beim Erstellen von Visualisierungen bestehen weiterhin die Kernfragen: Was möchte ich überhaupt zeigen? Was soll das für ein Bild sein? Eine KI kann mir nicht abnehmen, dass ich mich mit der architektonischen Entwurfsidee auseinandersetzen und ein Verständnis für den räumlichen, historischen oder soziologischen Kontext des Projekts entwickeln muss.

Dieser Beitrag wird unterstützt von Chaos Enscape, dem einzigen Real-Time-Visualisierungs-Plugin, das zu 100 Prozent in eure bevorzugten Design-Tools integriert ist.