Ausgedient, aber nicht verloren: Reallabor schenkt Betonschalungen ein zweites Leben

Erstmalig wurde mit dem Jugendtreff Ingersheim ein Reallabor des Forschungsprojekts „Stuttgart 210“ erfolgreich umgesetzt. Aus ursprünglich zur Entsorgung vorgesehenen Schalungselementen entstand ein skulpturales Bauwerk.

Von November 2022 bis Dezember 2024 untersuchten Planende des Forschungsprojekts „Stuttgart 210: Weiterdenken – weiterbauen“ mit Unterstützung von proHolz Baden-Württemberg und der Holzbau-Offensive Baden-Württemberg (MLR) die Wiederverwendung von Schalungselementen des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Die benachbarte Gemeinde Ingersheim interessierte sich für den Bau eines Jugendtreffs aus diesen Elementen. Nach vorbereitenden Arbeiten durch engagierte Ingersheimer Handwerker*innen bauten 43 Studierende des Masterprogramms IMIAD (HFT Stuttgart, ITÜ Istanbul, CEPT Ahmedabad, Indien) unter der Leitung von Prof. Andreas Kretzer und Melissa Acker im Sommer 2024 die ovale Hülle des neuen Treffpunkts. 

Ingersheim als erstes fertiges Reallabor

In einem zweiwöchigen Workshop fertigten Studierende des Masterstudiengangs Innenarchitektur die ovale Hülle aus Fichtenbrettern vor und montierten sie – unterstützt von lokalen Handwerker*innen. Zusätzlich überarbeiteten sie die Oberflächen der Schalungselemente und Bänke, fertigten Passstücke an und ergänzten Fehlstellen. Die Gemeinde, der DRK-Ortsverein, Sportvereine und Freiwillige sorgten für Unterkunft und Verpflegung der Teilnehmenden.

Architektur jenseits klassischer Grenzen

Die Schalungselemente des Bahnhofs Stuttgart 21 ermöglichen eine Architektur, die sonst unbezahlbar wäre. Die geschwungenen Holzoberflächen wurden aus meterdickem, blockverleimtem Brettsperrholz präzise mit einem achtachsig beweglichen Roboterarm gefräst. Züblin Timber, der Hersteller der Schalungselemente für Stuttgart 21, arbeitete eng mit dem Forschungsprojekt zusammen, um künftig Schalungselemente zu produzieren, die als Bauteile wiederverwendbar sind. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen in den Bau weiterer Reallabore ein, die in Vaihingen, Marbach und Mannheim entstehen sollen.

Reallabore im Spannungsfeld der Politik

Reallabore ermöglichen es, innovative Ideen und Technologien unter realen Bedingungen zu testen, auch wenn sie nicht vollständig mit den rechtlichen Vorgaben übereinstimmen. Derzeit fehlen jedoch oft klare gesetzliche Grundlagen, um solche Experimentierräume effizient zu fördern. Ein geplanter Gesetzesentwurf, den das Bundeskabinett im November 2024  beschloss, soll diese Lücke schließen und den rechtlichen Rahmen für Reallabore verbessern. Die Verabschiedung des Gesetzes ist durch die politischen Unsicherheiten nach dem Bruch der Regierungskoalition gefährdet. Gelingt es, den Entwurf noch vor der Auflösung des Bundestags Anfang 2025 zu verabschieden, wäre dies ein entscheidender Schritt für nachhaltige Bauprojekte.

Ausstellung „aus schalen entworfen“

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Stuttgart 210“ werden noch bis zum 26. Januar 2025 im Stadtpalais Stuttgart präsentiert. Pläne, Modelle und interaktive Stationen zeigen innovative Re-Use-Konzepte. Vom 8. bis 15. Januar 2025 ergänzt der ITS InfoTurmStuttgart die Ausstellung mit einem interaktiven Erlebnis der Bauteile in Originalgröße.