Ab-aufs-Land-Semester: Das RURASMUS Programm

Wie kann das Studium zum Bindeglied zwischen Stadt und Land werden? RURASMUS bietet eine praxisorientierte Antwort – mit Studierenden, die ihre Entwurfsarbeit im und mit dem Dorf entwickeln.

Ein Semester aufs Land? Wer bei dem Namen RURASMUS zunächst an ein umgedrehtes Erasmus denkt, liegt nicht falsch: Das österreichische Forschungsinstitut bringt europaweit ländliche Kommunen mit Studierenden zusammen. Für mindestens vier Monate leben die Teilnehmer*innen in den Gemeinden und setzen sich dort mit konkreten räumlichen Herausforderungen auseinander, etwa Wohnen, Umgang mit dem Bestand oder Ortsentwicklung. Ziel ist es, neue Perspektiven für das ländliche Europa zu schaffen – lokal verankert, akademisch begleitet und langfristig wirksam.

Lokale Themen, akademischer Anspruch

Ländliche Räume stehen vor vielschichtigen Herausforderungen: Leerstand, demografischer Wandel, fehlende planerische Aufmerksamkeit. RURASMUS setzt hier an. Die beteiligten Gemeinden formulieren im Vorfeld konkrete Fragestellungen, die das Team in studienrelevante Aufgaben überführt, auf die sich dann Studierende bewerben können. In Kooperation mit Lehrstühlen der beteiligten Universitäten und begleitet vom Team des Forschungsinstituts entstehen so interdisziplinäre Projekte, oft im Rahmen von Diplom-, Master- oder Bachelorarbeiten.

Das Programm ist nicht ausschließlich für Planungsdisziplinen gedacht, zieht aber derzeit vor allem Studierende der Architektur und Raumplanung an. Neben der akademischen Arbeit umfasst das Projekt auch Wohnraum, Arbeitsraum und Vernetzungsmöglichkeiten, die gemeinsam mit den Gemeinden organisiert werden. RURASMUS versteht sich dabei ausdrücklich nicht als Auftrag-, sondern vielmehr als Impulsgeber, der neue Blickwinkel und langfristige Beziehungen ermöglichen will – zwischen Kommune und Hochschule, Praxis und Theorie, Studierenden und Region.

Orte als Lernräume – Ein Blick ins Salzkammergut

Im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas 2024 war RURASMUS in acht Gemeinden des Salzkammerguts vertreten. Das Überthema „Neues Wohnen im ländlichen Raum“ diente als Ausgangspunkt für vielfältige Projektideen:

Lukas Hegendörfer entwickelte in St. Konrad ein Nachnutzungskonzept für einen leerstehenden Vierkanthof – mit dem Ziel eines generationenübergreifenden Wohnhybrids. Seine Entwürfe stellten sich bewusst gegen die Zersiedelung und zeigten, wie sich historischer Bestand ressourcenschonend weiterdenken lässt. 

In Bad Ischl widmete sich Daria Kariakina der sozialen Durchmischung im kommunalen Wohnbau. Ihr Konzept für die Siedlung Roith verknüpfte Bestandserhalt, Gemeinschaftsbildung und städtebauliche Aufwertung. Tanja Stapelbroek hingegen reiste nach Ebensee, um Impulse zur Belebung der Marktgasse zu geben – einst zentraler Ort, heute vom Leerstand geprägt. 

Muriel Beringer entwickelte am Grundlsee neue Konzepte für mindergenutzte Generationenhäuser, analysierte Wohnbiografien und entwarf Umstrukturierungen, die den Bedürfnissen von Jung und Alt gerecht werden sollen. Ihr Vorschlag brachte dabei erstmals konkrete Perspektiven für sanfte Innenentwicklung – und wurde bereits in mehreren Gremien weiterverfolgt.

Perspektiven einer inklusiven Planung

Die bisherigen Projekte überzeugten also nicht nur fachlich, sondern beeinflussten auch das Denken der lokalen Akteur*innen und Entscheidungsträger*innen. Bestand wurde neu bewertet – als Potenzial statt Problem. Einige der teilnehmenden Studierenden blieben sogar in der Region, führten ihre Projekte weiter oder fanden berufliche Anbindungen vor Ort. Dem RURASMUS-Team zufolge war das Erleben realer Wirksamkeit für viele der Teilnehmer*innen ein prägendes Element.

Durch die Verlagerung von Lehre, Entwurf und Forschung direkt in den ländlichen Raum soll nicht nur architektonischer Output, sondern ein neues Verständnis von Bildung, Planung und gesellschaftlicher Verantwortung entstehen. Die nächste Projektphase ist bereits in Vorbereitung – mit neuen Gemeinden, neuen Themen und demselben Anspruch: echte Verbindungen zu schaffen. Zwischen Stadt und Land, zwischen Theorie und Leben.