#ToBeContinued: Stadt-Land-Dialog

Nelli Fritzler und Anna Holzinger haben sich schon während des Studiums mit dem ländlichen Raum beschäftigt. Aus diesem Interesse heraus haben sie Rurbane Realitäten gegründet und gestalten in diesem Rahmen rurale und urbane Transformationsprozesse. Unsere Reihe #ToBeContinued begleitet das Projekt von den ersten Ansätzen im Masterstudium bis hin zur tatkräftigen Umsetzung.

Im August 2021 kennengelernt, zehn Tage intensiv zusammengearbeitet und daraufhin im Oktober gegründet – inzwischen haben sich Nelli Fritzler und Anna Holzinger mit Rurbane Realitäten als Expertinnen für Dialogstrukturen zwischen Stadt und Land etabliert. Das Gründungsprojekt fußt auf Nellis Masterthesis. 

#ToBeContinued präsentiert Abschlussprojekte, die eine Geschichte erzählen: Konzepte, die weiterentwickelt und umgesetzt wurden, und den Absolvent*innen einen erfolgreichen Berufseinstieg ermöglicht haben.

Ein erfolgreiches Matchmaking 

Begegnet sind sich Nelli und Anna bei dem Sommerprogramm „Campus Zukunft“ der Wüstenrot Stiftung. Nelli Fritzler hatte kurz davor ihre Masterthesis an der TU Berlin unter der Betreuung von Prof. Jan Kampshoff präsentiert. Anna Holzinger hatte Stadtplanung an der HCU Hamburg absolviert und bereits Praxiserfahrung in Gemeinschaftsprojekten und Beteiligungsprozessen im ländlichen Raum gesammelt. 

Ihre Interessen sowie ihre Persönlichkeiten waren kompatibel – damit war ihre Zusammenarbeit so gut wie gesichert. Ein paar Monate später unterschrieben die zwei Absolventinnen gemeinsam einen gemeinsamen GBR Vertrag. Seitdem widmen sich Anna und Nelli mit 100-prozentigem Einsatz dem Planungsbüro Rurbane Realitäten. Sie mussten jedoch nicht bei Null anfangen, sondern bauten in ihrer Arbeit auf Nellis Abschlussprojekt auf. 

Ausgangspunkt: Der gezielte Blick auf ländliche Dritte Räume

Die Auswahl des Themas für die Masterarbeit fällt Student*innen oft nicht leicht. Nelli Fritzler wusste aber, dass sie mit ihrem Projekt einen realen Bedarf abdecken möchte. Dafür hat sie ausgewählte dörfliche Strukturen untersucht und sich letztendlich auf drei Orte des öffentlichen Lebens konzentriert: Begegnungs-, Kultur- und Nachbarschaftsorte. Für diese sogenannten „Dritten Orte“ – ein Begriff, den Soziologe Ray Oldenburg geprägt hat – wollte die Studentin ein neues Narrativ finden: Negativ konnotierte Räume umgestalten, um gesellschaftsstärkende Mechanismen auszulösen. 

Der Abschluss war erst der Beginn

Nelli grenzte ihre Studie auf die drei nordrhein-westfälischen Kommunen Beckum, Warstein und Emmerich ein. Die intensive Beschäftigung mit den örtlichen Akteur*innen und Strukturen führte sie zu der Frage: Wie kann man Laien in den Entwurfsprozess integrieren und sie zur eigenständigen Umsetzung befähigen? Dafür brauchte es Tools, die die Beteiligten ermächtigten, die Aufwertung der Gemeinschaftsräume alleine durchzuführen. Sie präsentierte ihre Masterthesis im Mai 2021, die in den drei Gemeinden initiierten Projekte galten aber noch lange nicht als abgeschlossen. So ist aus der Abschlussarbeit „Rurbane Realitäten“ ein paar Monate später das gleichnamige Planungsbüro entstanden. 

Gemeinsam durch das Gründungslabyrinth

Auf den pandemiebedingten Aufschwung der Stadt-Land-Debatte konnten Anna und Nelli mit ihrem bereits angeeigneten Expertinnenwissen reagieren. Ein Berliner Gründungszuschuss hat den beiden Absolventinnen ermöglicht, einen Businessplan zu erstellen und sie mit einem Coaching unterstützt. Darüber hinaus haben Prof. Antje Stokman und Prof. Jan Kampshoff ihre beiden ehemaligen Studentinnen fachlich gefördert und persönlich begleitet – eine wertvolle Unterstützung, die beide junge Gründerinnen schätzen.

„Ich weiß nicht, ob es das Projekt heute so geben würde, wenn da nicht ein Professor gewesen wäre, der das unterstützt hätte.“ Nelli Fritzler

die zwei Planerinnen arbeiten auf vielen Fronten: Im ersten Jahr ist das Auftragsportfolio von Rurbane Realitäten über die anfänglichen Gemeinschaftsprojekte schnell hinausgewachsen. Von Reallaboren und Zukunftswerkstätten bis hin zur Beteiligung an einem Forschungsprojekt. Ihre Expertise in der kollektiven, prozessorientierten Planung wird auch jenseits des ländlichen Raums gefragt. Dafür entwickeln sie kontextabhängig immer neue Formate und Methoden, die die lokalen Akteur*innen zur selbstständigen Planung und Realisierung befähigen.

Zukunftsvision 

Als sie im September 2022 vor dem DAZ (Deutsches Architektur Zentrum) Kiosk saßen und im Rahmen der Veranstaltung „Hit the City“ über die Zukunft der Disziplin sprachen, waren Anna und Nelli noch mit vielen offenen Fragen und Unsicherheiten konfrontiert. Die rasante Entwicklung von Rurbane Realitäten überrascht manchmal selbst die beiden Gründerinnen. Jetzt blicken sie selbstbewusst ihrer Teilnahme an der IBA Thüringen erwartungsvoll entgegen, deren Begleitprogramm sie zum Leitthema „StadtLand“ mitgestalten.  

Anna und Nelli haben vor, als Kernteam von Rurbane Realitäten weiterhin ihre Expertise im Spannungsfeld zwischen dem urbanen und ländlichen Raum auszubauen und in unterschiedlichen Maßstäben und Formaten durchzuspielen – von räumlichen und planerischen Ansätzen bis hin zu großmaßstäblichen, strategischen Überlegungen. Zukünftig wünschen sie sich, ein kleines Team zusammenzustellen und sich interdisziplinär weiterzuentwickeln. „Bald, aber nicht zu schnell“ – in diesem Punkt sind sie sich jedoch einig.