Zwischenraum Potenzial: Masterarbeit zu den Stadtbahnbögen in Berlin

Sabrina Hauck widmet sich in ihrer Masterarbeit der Frage, wie die leerstehenden Viaduktbögen der Berliner Stadtbahn wieder zu lebendigen Stadtbausteinen werden können. Ihre Strategien zeigen, wie diese Zwischenräume soziale, kulturelle und räumliche Qualitäten zurückgewinnen können.

Seit 1882 verbindet die Berliner Stadtbahn auf 11,2 Kilometern die östlichen und westlichen Bezirke. Rund 8,8 Kilometer verlaufen auf markanten Viaduktbögen. Während die Stadtbahn als Hauptstruktur Bezirke miteinander verbindet, bildet die darunterliegende Substruktur mit ihren Bögen eine spürbare räumliche Barriere zwischen den Stadtteilen. Heute steht etwa die Hälfte der 731 Bögen leer, viele sind zugemauert, überwuchert oder liegen brach.

Meine Masterarbeit „Zwischenraum Potenzial“ beschäftigt sich mit dem Leerstand der Stadtbahnbögen. Mit Interviews, Standortanalysen und einer Fotodokumentation der gesamten Strecke analysiere ich den Zustand und entwickle drei Strategien zur Revitalisierung. Diese wende ich auf ausgewählte Standorte an, um das Potenzial der Bögen sichtbar zu machen und neu zu denken. Um die Arbeit aus dem universitären Kontext in den Stadtraum zurückzutragen, präsentiere ich meine Masterarbeit am 14. Juni um 18 Uhr im Stadtbahnbogen 424. Die Ausstellung und das Gespräch werden durch die Unterstützung von Barbara Dechant, Gründerin des Buchstabenmuseums, ermöglicht.

Gespräche entlang der Stadtbahn

Ein zentraler Teil meiner Recherche waren die persönlichen Interviews mit den Nutzer*innen der Stadtbahnbögen. Überall traf ich ausnahmslos auf Offenheit, Zeit und die Bereitschaft, Erfahrungen zu teilen. Dieser Teil der Arbeit porträtiert die Menschen und Geschichten, die die Bögen mit Leben füllen. Dort, wo Nutzung stattfindet, entfalten die Bögen ihr Potenzial als Räume voller Leben, Kreativität und Wandel. Viele Initiativen leisten mit mutigen Ideen und kulturellem Engagement einen Beitrag, der nicht nur die Räume, sondern auch das Stadtbild positiv prägt.

Doch trotz ihrer kulturellen und sozialen Bedeutung sind diese Orte fragil. Immer mehr Bögen verschwinden aus dem Stadtbild, nicht nur, weil sie nicht genutzt werden, sondern weil Mietverträge auslaufen, Bauprojekte bestehende Strukturen verdrängen, oder die Mieten zu hoch sind. Dabei geht es um mehr als Räume: Es geht um urbane Qualitäten, die verloren gehen könnten oder bis heute ungenutzt sind. Treffpunkte, kulturelle Anker und Orte der Nachbarschaft. In den Gesprächen wurde deutlich, wie viel Kraft, Leidenschaft und Vision in den Bögen steckt – und wie wichtig es ist, sie zu erhalten und weiterzudenken. 

Strategien zur Revitalisierung

Die Bögen folgen einer seriellen Struktur, doch ihre direkte Umgebung spielt eine entscheidende Rolle für ihre Nutzbarkeit. Detaillierte Standortanalysen zeigten, wie stark bauliche Voraussetzungen und das soziale und wirtschaftliche Gefüge variieren. Um diesen unterschiedlichen Bedingungen gerecht zu werden, habe ich einen Maßnahmenkatalog entwickelt, der gezielt die jeweiligen Gegebenheiten berücksichtigt. Neben architektonischen Eingriffen umfasst er auch nicht-bauliche Strategien, die den Erhalt bestehender Nutzungen in den Vordergrund stellen.

Von der Strategie zum Ort

Auf Basis dieses Katalogs habe ich drei Strategien zur Revitalisierung entwickelt und auf drei Standorte angewendet. Sie reichen von einem minimalen Eingriff in Form eines frei stehenden Moduls bis hin zu einem maximalen Eingriff in Form eines komplett ausgebauten Bogens. Alle Eingriffe folgen einer einheitlichen architektonischen Sprache in Holzrahmenbauweise, die bewusst einen Kontrast zum Mauerwerk der Bögen setzt. 

In der Georgenstraße entstehen Ausweichflächen für Universitäten, die durch aktuelle Kürzungen für Kultur und Bildung wichtige Räume verlieren. Neue Atelierflächen erweitern und beleben den Campus der Humboldt-Universität. Am Nordufer der Spree in Moabit wird die bislang trennende Bahnlinie in einen nachbarschaftlichen Treffpunkt für Sport und soziale Begegnung transformiert. Entlang der Dircksenstraße entsteht ein kultureller Gegenpol zur konsumgeprägten Umgebung: Ein öffentlicher Eventspace bietet Platz für Veranstaltungen und kreative Formate. 

Diese Ansätze zeigen, dass es nicht nur darum geht, neue inklusive Nutzungsszenarien zu entwerfen oder städtebauliche Barrieren aufzubrechen. Sie verdeutlichen, dass die Stadtbahn mehr ist als eine funktionale Verkehrsachse. Sie kann Bezirke verbinden, statt sie zu trennen, und birgt räumliche Potenziale, die wir nicht ungenutzt lassen sollten.