Wasser als kulturelle Infrastruktur: Das Forschungsprojekt “Intermediary Softness”
Wasser als Mitakteur*in unserer Architektur? In Rhode Island, USA entwickelte ein Team des Graduiertenprogramms einen erlebbaren Pavillon aus Wasserinfrastruktur.

Wie können Infrastrukturen nicht nur als technische Systeme, sondern auch als kulturelle Praktiken verstanden werden? Mit dieser Frage beschäftigte sich das einjährige Forschungsprojekt „Intermediary Softness: A Water Infrastructure“, initiiert von Debbie Chen, Assistenzprofessorin an der Rhode Island School of Design (RISD) und Leiterin des Graduierten-Programms. Gemeinsam mit den Studierenden Alex Croft, Aleza Epstein, Pateton Gonzales und Isabelle Troutman erforschte sie, wie sich eine neue Sensibilität für natürliche Ressourcen – insbesondere Wasser – in architektonische und infrastrukturelle Gestaltung übersetzen lässt. Mit gesicherter Förderung bildet das Projekt den Auftakt zu einer größeren Forschungsreihe, die künftig auch Energieinfrastrukturen untersucht.

Von der Ressource zum Beziehungssystem
Wasser ist eine grundlegende Lebensressource, doch moderne Bauweisen haben es durch technische Effizienz unsichtbar gemacht. Wie verändert sich unser architektonisches Denken, wenn wir Infrastruktur nicht als starres, bürokratisches System, sondern als weiches, pflegebedürftiges Gefüge begreifen – sichtbar in der Konstruktion? Intermediary Softness versteht Infrastrukturen nicht länger als neutrale Hintergrundsysteme, sondern als aktive kulturelle Formen. Der Forschungsprozess begann daher mit der Analyse traditioneller und moderner Wasserspeichersysteme – von Einwegbechern bis zu urbanen Zisternen. Das Team ergänzte diese Objekte um Kontextinformationen wie Lagerkapazität, Gewicht im gefüllten und leeren Zustand sowie Materialeigenschaften. Die Daten stammten vor allem aus öffentlich zugänglichen Quellen wie Hersteller-Websites.

Im Mittelpunkt stand stets der Begriff der „Vermittlung“: Infrastruktur als Medium zwischen Mensch, Material und Umwelt. Dabei ging es weniger um Effizienz als um das bewusste Aushandeln von Grenzen, Verfügbarkeiten und Bedeutungen.

Forschung als materielles Experiment
Der Forschungsansatz war offenen und experimentell: Theorie, Materialforschung und Entwurf sollten sich im Studioalltag verzahnen. Das Team untersuchte die physikalischen Eigenschaften von Wasser, beobachtete Niederschlagszyklen und entwickelte Prototypen, um das Zusammenspiel von Auffangen, Ableiten und Speichern räumlich erfahrbar zu machen. Sie hatten zum Ziel eine Installation im Maßstab 1:1 zu entwickeln, die auch soziale und ökonomische Dimensionen erfahrbar macht. Der Einsatz textiler Materialien und einfach verfügbarer, industrieller Bauteile bestätigte die zentrale These, dass Infrastrukturen wandelbar, temporär und zuwendungsbedürftig sind. Damit positioniert sich die Forschung auch klar gegen eine technokratische Sichtweise auf Baukultur.

Eine Installation zum Sammeln und Loslassen
Das Ergebnis ist ein Pavillon auf dem Küstengelände der RISD in Tillinghast Place: ein leichtes, schindelartiges Gewebe aus Nylon-Ripstop, das Regenwasser sammelt, statt es abzuleiten. Die weichen Schindeln, befestigt an Holzbalken und einer Aluminiumstruktur, bewegen sich im Wind, lenken Regen in kleine Taschen und erzeugen ein Spiel aus Licht, Schatten und Rhythmus. Der Pavillon ist dabei kein Speicherriese, sondern ein bewusst limitierter Sammler. Er speichert „gerade genug Wasser, für gerade lang genug“ – als poetische Erinnerung an das Gleichgewicht von Last und Fülle. Die Arbeit wurde im Herbst in der BEB-Galerie der Architekturabteilung ausgestellt und soll 2025 Teil einer erweiterten Ausstellung zur Zukunft von Infrastrukturformen werden. Zudem wird das Projekt in der Ausstellung The Sixth Sphere – kuratiert von Brittany Utting – ab dem 23. Mai im AEDES Architekturforum in Berlin zu sehen sein. Doch, damit endet die sinnliche Auseinandersetzung mit dem Thema Gebäudetechnik nicht: Debbie Chen wird kommendes Semester eine zweite Forschungsphase beginnen – dieses Mal zum Thema Energie.
