Visionen für den Elbtower: Studierende entwickeln Konzepte für Bauruine

Die sich zuspitzende Krise der Baubranche führte dazu, dass der Bau des Elbtowers in Hamburg ruht. Ideen für die Nutzung des brachliegenden Rohbaus haben nun Studierende der BHT und der TH Nürnberg entwickelt.

Mit einer Höhe von 245 Metern sollte er das höchste Gebäude Hamburgs und das dritthöchste bundesweit werden – im Herbst 2023 wurden die Bauarbeiten am Elbtower in Hamburg jedoch eingestellt. Grund dafür seien fehlende Zahlungen seitens der Bauherren. Seitdem steht der 100 Meter hohe Turmstumpf als Bauruine leer. Über seine Zukunft wird aktuell noch verhandelt. Ideen für mögliche Nutzungen entwickelten im Sommersemester 2024 50 Studierende der Berliner Hochschule für Technik (BHT) in Kooperation mit Studierenden der Technischen Hochschule Nürnberg (TH Nürnberg). Geleitet wurde das Studio Nøew Future von Prof. Rüdiger Ebel und Prof. Volker Halbach.

Aus Rohbau mach Kulturort

Ursprünglich sollte auf dem dreieckigen Grundstück am Nordufer der Nordelbe, im Osten der Hamburger HafenCity, ein 64-geschossiger Turm nach den Plänen von David Chipperfield Architects entstehen. Der von der Signa Prime Selection AG in Auftrag gegebene Entwurf sah einen weitläufigen, vier- bis fünfgeschossigen Sockel vor, aus dem sich zunächst sechs bis sieben weitere, fließend zurückgestufte Geschosse erheben. Diese hätten sich im Südosten des Gebäudes schließlich zu einer schlanken, geschwungenen Turmfigur mit rund 64 Geschossen entwickelt.

Auf einer Bruttogeschossfläche von etwa 160.000 Quadratmeter sollten unter anderem Büroflächen, ein Hotel samt Restaurant, Wein- und Feinkostgeschäfte, Galerien, Cafés, Bistros, ein Fitnessstudio, ein Spa und eine Aussichtsplattform entstehen. Aus diesen Plänen ist jedoch nichts geworden. Die Arbeiten an dem Bauwerk wurden mitten im Prozess abgebrochen, weil der Bauherr fällige Rechnungen nicht bezahlte. Für den bestehenden Rohbau entwickelten die Studierenden Ansätze mit dem Ziel, den Bestand programmatisch und konzeptionell zu transformieren und zu erweitern.

Ideen für die Nachnutzung

Die Nutzungskonzepte basierten auf der Prämisse, den Elbtower als gemeinwohlorientierten Ort in die Hamburger Kulturlandschaft zu integrieren. Die Studierenden der beiden Hochschulen führten zunächst umfassende Bestandsaufnahmen durch und beschäftigten sich intensiv mit dem bereits realisierten Teilrohbau. Auf dieser Grundlage stellten sie sich im Entwurfsprozess unter anderem folgende Fragen: Welche neuen Funktionen und Nutzungen könnten in das Gebäude integriert werden? Wie bereichert der Elbtower die Hamburger Kulturlandschaft? Welche architektonischen und städtebaulichen Innovationen sind denkbar?


Die Ergebnisse, die die Studierenden zu Semesterende in der Galerie auau in Hamburg präsentierten, zeichnen sich durch einen großen Facettenreichtum aus. Während einige Teams den Weiterbau der Ruine – teilweise sogar über die ursprünglich angedachte Höhe hinaus – vorschlugen, setzten andere auf minimalinvasive Ansätze. Beispielsweise begreift der Entwurf „Belebung einer Ruine“ von Jordi Bochnig Juan und Philipp Ludwig den Elbtower als „Materialregal“, bei dem im Sinne einer Zwischennutzung rückbaubare Einbauten aus leichten Baustoffen in den Betonrohbau integriert werden. Ein Kran auf dem aussteifenden Kern des Turms ermöglicht eine hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Jonas Staeder und Marc Fechner schlagen in ihrem Entwurf „RE:THINK ELBTOWER“ vor, Kulturräume, öffentliche Nutzungen und Wohnen an einem Ort zusammenzuführen. Auf dem abgestuften Dach soll eine Promenade in Form eines begrünen Gerüstsystems entstehen, die als öffentlicher Raum fungieren soll. In dem Gebäude selbst haben die beiden Studierenden größtenteils Wohnungen vorgesehen. Der Entwurf „COMMON GROUND“ von Michael Delby und Eva-Maria Sölch umfasst eine Teilung des ursprünglichen Gebäudes in einzelne Abschnitte, die um einen zentralen Platz angeordnet sind. Ein Clubhouse, ein Willkommenshaus, ein Wohnturm und eine Foodbank nehmen jeweils verschiedene Funktionen auf, die dem Quartier zugutekommen sollen. Christian Vogel und Nicola Warncke schlagen eine Mischnutzung vor, die verschiedene kulturelle und nachbarschaftliche Einrichtungen wie Werkstätten, Ausstellungs- und Sporträume sowie frei bespielbare Flächen unter einem Dach vereint. So unterschiedlich die Entwürfe auch sind, eines haben sie gemeinsam: Den Appell, dass der Elbtower zu einem gemeinwohlorientierten Ort für alle werden soll.