Versuchsobjekt des Bauhandwerks: Das „Werkraum Häuschen“ in Bregenz
Mit dem „Werkraum Häuschen“ entstand im Rahmen der Ausstellung „Constructive Alps. Bauen für das Klima“ im Werkraum Bregenzerwald ein mobiler Botschafter für sortenreines Bauen und das gegenseitige Lernen von Handwerkenden mit Akademiker*innen.
Der Architekt Wolfgang Schwarzmann promovierte an der Uni Liechtenstein über den Einfluss, den digitale Produktionsmethoden wie robotische Vorfertigung und CNC-Technik für das traditionelle Zimmerhandwerk haben. In Kooperation mit dem Verein Werkraum Bregenzerwald in Andelsbuch (Vorarlberg, Österreich), der sich als Plattform und Schaufenster für die Handwerksbetriebe der Region versteht, mit Handwerkenden und Lehrlingen der Mitgliedsbetriebe, sowie mit Unterstützung von Prof. Dirk E. Hebel vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), realisierte er 2021 das „Werkraum Häuschen“ als empirischen Teil seiner Doktorarbeit. Ein Projekt, bei dem der Entstehungsprozess und die damit einhergehende Kommunikation zwischen Handwerkenden und Architekt*innen von zentraler Bedeutung sind. Dahinter steht die Idee, eine neue Form der Bildung – nämlich die des voneinander Lernens – zu praktizieren. Von November 2021 bis April 2022 war das als mobiles Modul konzipierte Häuschen in der Ausstellung „Constructive Alps. Bauen für das Klima“ im Werkraumhaus ausgestellt. Seitdem befindet es sich auf der Reise und kündet von nachhaltigem Bauen und Austausch über die einzelnen Gewerke hinweg.
Handwerk analog und digital
Vergleichbar mit einem Gerüst, handelt es sich beim „Werkraum Häuschen“ um eine flexible Massivholzkonstruktion, die auf- und abbaubar ist. Dadurch kann der Transport des Objekts je nach Bedarf auch in Einzelteilen durchgeführt werden. Für die einfache und nachhaltige Zerlegung ist ein sortenreiner Rückbau von Bedeutung. Bei dem Entwurf der Holzverbindungen kamen die Erkenntnisse von Wolfgang Schwarzmanns Forschung mit digitalen Fertigungsmethoden und die praktische Erfahrung der Handwerker*innen zusammen. In vielen Details trifft hier Gestaltungswille auf den Pragmatismus des Handwerks, worin im Zusammenwirken eigene Symbiosen entstehen konnten.
Ein Haus, ein Prozess oder beides?
Für die Ausstellung entstand das Objekt zunächst als reine Tragkonstruktion ohne Wände oder jeglicher Ausstattung. Wie bei einem Regal sollte es sich sukzessive während der Ausstellung wie auch auf seinen weiteren Stationen durch die Beiträge der einzelnen Gewerke füllen und sich so über die Zeit wandeln. So wohnt dem gesamten Projekt das Prozesshafte inne und es fungiert als 1:1 Versuchsobjekt für nachhaltige und innovative Lösungen im Bauprozess, die in der gängigen Baupraxis mit all ihren Regularien und ökonomischen Zwängen in dieser Form noch keine Anwendung finden.
Entwürfe aus Akademie und Praxis
Um den co-kreativen Entwurfsvorgang zu fördern, waren die Handwerksbetriebe der Region dazu aufgerufen, ihre eigenen Entwicklungen einfließen zu lassen. Gezielt waren gerade die Lehrlinge der Betriebe angesprochen, ihre Ideen mit einzubringen. In seiner Forschungsarbeit unterstreicht Wolfgang Schwarzmann, wie wichtig es gerade jetzt für das zukünftige Bauwesen ist, den jungen Auszubildenden das Erproben frischer Herangehensweisen zu ermöglichen. Verbindendes Prinzip für alle Beteiligten ist die Suche nach Lösungen für ein sortenreines Bauen, bei dem alle Bauteile im Falle eines Rückbaus ohne Wertminderung wieder verwendbar sind. Das bedeutet, dass auf Legierungen oder durchmischte Baustoffe möglichst verzichtet wird. Unterstützung kam hierbei von Prof. Dirk E. Hebel vom KIT Karlsruhe, dessen Lehrstuhl sich mit zirkulärem Bauen und neuartigen Baumaterialien auseinandersetzt. Er brachte Materialproben aus seiner Forschung mit, die anschließend von den jungen Handwerkenden pragmatisch aufgegriffen und weiterentwickelt wurden.
Das Häuschen auf Reisen
Seine Anfangsstation im Bregenzer Werkraum hat das Projekt bereits verlassen und ist mobil geworden: Unter anderem im Rahmen des „Festival zur Entwicklung der Zukunft“ wurde das Werkraum Häuschen ein- bzw. aufgeladen und konnte als Gast der „Creative Week Austria“ Workshops, Diskussionsrunden und weitere spannende Formate rund um die Frage „Klimaneutralität bis 2050“ begleiten. In Zukunft soll das Projekt in unterschiedlicher Nutzung und auf Messen, Ausstellungen und alternativen Veranstaltungsformaten zu sehen sein. So kann das Häuschen quasi als physischer Botschafter innovativer Gedanken aus der Region Bregenzer Wald betrachtet werden und verschiedene Disziplinen mit dem Handwerk verbinden.