Unter Lehm und Holzresten: Das kreislauffähige Deckensystem „Terra Timber“

Wie kann Restmaterial aus Sekundärkreisläufen im Holzbau genutzt werden? Zu dieser Frage haben Studierende durch digitales Upcycling eine Lehmhybriddecke entwickelt und prototypisch umgesetzt.

Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat die Professur Digital Design (DDF) und Fabrication und Design of Structures (dos) ein Forschungs-Mock-Up entwickelt, das zeigen soll, wie kreislauffähiges, ressourcenschonendes und emissionsarmes Bauen mit digitaler Bautechnologie möglich sein kann. Unter dem Namen „Terra Timber“ zielt das von Studierenden entwickelte Projekt darauf ab, (Rest-)Material aus Sekundärkreisläufen im Holzbau durch digitales Upcycling in konstruktive Bauelemente zu integrieren. Das Forschungsteam präsentierte die  in eine Pavillon-Konstruktion eingebundene Decke in Zusammenarbeit mit der Karlsruhe Marketing und Event GmbH (KME) als Festival-Architektur auf „DasFest“ in Karlsruhe.

Praktische Forschung als Entwurfsaufgabe

Im Rahmen einer vorangegangenen Lehrveranstaltung sollten seitens der Studierenden Methoden entwickelt werden, um Sekundärhölzer, die wegen ihrer Größe oder Form in der herkömmlichen Bauindustrie nicht verwendet werden können, zu wertvollen Baumaterialien umzufunktionieren. Die Idee zu diesem Projekt entstand vor etwa einem Jahr aus einer studentischen Forschungsinitiative, die sich mit der nachhaltigen Wiederverwertung von Holzresten beschäftigte. Ziel war es, diese Hölzer, die sonst oft verbrannt oder minderwertig weiterverarbeitet würden, sinnvoll zu nutzen und damit einen Beitrag zur Ressourcenschonung zu leisten.

Im Laufe der Zeit entstanden drei verschiedene Konzepte: ein hybrides Deckensystem, eine Wandkonstruktion aus Resthölzern sowie ein strukturell zusammengeführtes Tragsystem. Diese Konzepte wurden in den folgenden Semestern weiterentwickelt, wobei das Deckensystem im Fokus stand. Während der Pfingstwoche, die an der Fakultät für Seminare und Workshops genutzt wird, arbeiteten etwa 20 Studierende intensiv an der Umsetzung des Mock-Ups. Eine Holzbaufirma aus Stuttgart unterstützte das Projekt und stellte Resthölzer zur Verfügung.

Digital inventarisiert und eingebaut

Um das Ganze umzusetzen, mussten die Materialien zunächst digital erfasst und vermessen werden. Mithilfe digitaler Bilderkennung wurden Restholzstücke, die bei der Herstellung von Brettstapeldecken anfallen, computergestützt zu großen Tragwerksbauteilen zusammengesetzt. Dazu wurden die Resthölzer in 3D digitalisiert und in einer Datenbank gespeichert sowie in der Software Grasshopper weiterverarbeitet, wo eine spezielle Logik zur Aggregation der Holzstücke entwickelt wurde. Dabei erfuhren die Holzschichten abwechselnde Ausrichtungen: Eine Schicht horizontal platziert, während die nächste um 20 Grad gedreht ist. Diese Anordnung verbessert die Kräfteverteilung zwischen den Schichten und sorgt gleichzeitig für eine optimierte Schallabsorption.

Symbiose aus Lehm und Holzresten

Das entstandene Mock-Up demonstriert schließlich einen kleinen Ausschnitt eines mehrgeschossigen Bausystems, das die erfassten Resthölzer mit Lehm zu hybriden Deckenbauteilen kombiniert. Um die Verbindung zwischen Lehm und Holz zu verbessern, wurde das Holz so angeordnet, dass der Lehm tief in die Holzstruktur eindringen kann und einen stabilen Formschluss ermöglicht. Dazu wurde der Lehm direkt in die Holzvertiefungen „geschossen“, um eine optimale Verdichtung und Verbindung zu erreichen, was mit herkömmlichen Methoden wie dem Gießen oft nicht gelingt. Lehm soll hier als ökologischer und recyclebarer Betonersatz dienen, der thermische Masse, guten Schall- und Brandschutz sowie erhöhte Tragfähigkeit bietet.

Während des Seminars nutzten die Studierenden zudem Virtual- und Augmented-Reality-Brillen, um die präzise Platzierung der Holzteile zu visualisieren. Sie markierten die Teile und befestigten sie mit speziellen Holznägeln, um kein weiteres Material einbringen zu müssen. Durch die Aufständerung mit einer entsprechenden unterliegenden Holzkonstruktion konnte gleichzeitig ein kleiner Rückzugsort am See des Festivalgeländes geschaffen werden.