Teilen statt versiegeln: Studio und Ausstellung „Einfamilienhäuser für alle!“
Ein Klassiker auf dem Prüfstand: Im Entwurfsprojekt „Co-MaKaBi“ transformierten Studierende der TU Berlin das Einfamilienhaus – und zeigten, es muss nicht abgerissen, sondern kann gemeinsam weitergebaut werden.

Einfamilienhäuser sind nach wie vor begehrt. Mit einer durchschnittlichen Belegung von nur 1,8 Personen pro Haus wächst ihre Zahl weiter: Jährlich entstehen rund 100.000 neue Einheiten in Deutschland. Während sie für viele Menschen noch immer als Inbegriff des privaten Glücks gelten, gerät der Wohntypus zunehmend unter Druck: Wohnraummangel, Klimakrise und neue Lebensmodelle fordern ein radikales Umdenken.
Im Entwurfsstudio „Co-MaKaBi“ – benannt nach den Berliner Stadtteilen Mahlsdorf, Kaulsdorf und Biesdorf – nahmen Studierende unter der Leitung von Prof. Nanni Grau und Jan Engelke das Einfamilienhaus unter die Lupe. Gemeinsam mit Praxispartnern entwickelten sie Konzepte, die das Haus nicht ersetzen, sondern in eine nachhaltige und solidarische Zukunft führen. Nicht durch Abriss und Neubau, sondern durch behutsame Transformation. Ziel ist eine Architektur des Teilens, die Siedlungen sanft verdichtet, Ressourcen schont und neue soziale Modelle bis 2050 ermöglicht.

Zuhause teilen statt zu bauen
Mahlsdorf, Kaulsdorf und Biesdorf bilden Deutschlands größtes zusammenhängendes Einfamilienhausgebiet – ein Patchwork verschiedener Siedlungstypen der Siedlerbewegung, NS-, DDR- und Nachwendezeit. Diese Vielfalt macht den Ort zum idealen Labor für zukunftsfähige Wohnmodelle.
Die Entwürfe betrachteten das Einfamilienhaus als Teil eines größeren Ganzen: Gemeinschaftliche Waschsalons, Co-Working-Spaces, Carsharing, Baugruppen und Gärten ersetzten klassische Privatmodelle. Versiegelung wurde vermieden, vorhandene Strukturen aufgewertet. Im Fokus standen flexible, energetisch sanierte Räume und kollektive Eigentumsmodelle. So wurden Garagen zu Werkstätten, Nebenräume zu Treffpunkten und Straßenräume zu sozialen Orten. Ein Beispiel: Im Projekt „Nabel“ verwandelten sich Zwischenräume an Parzellenrändern in gemeinschaftlich genutzte Räume. Genossenschaftlich organisiert, sollte hier Nachbarschaft statt Abgrenzung entstehen.

Eigentum gemeinsam denken
Zusammen mit Paulus van der Kuil vom Fachgebiet Planungs- und Bauökonomie / Immobilienwirtschaft analysierten die Studierenden ökonomische Rahmenbedingungen. Sie untersuchten Eigentumsformen, Finanzierung, Governance und langfristige Instandhaltung. Ausgehend von Bebauungsplänen entwickelten sie konkrete Parameterpläne, die auf umliegende Parzellen übertragbar waren.

Ein Aufruf zum Umbau
Die Ergebnisse des Studios präsentierte die Ausstellung „Einfamilienhäuser für alle!“ vom 21. Februar bis 21. März 2025 in der Architektur Galerie Berlin. Sie diente als Plattform für Austausch und Debatte mit Gästen aus Politik, Planung, Wissenschaft und Praxis. Mit dabei waren Renée Somnitz (Selbstbau eG), Andreas Geisel (SPD) und Juliane Witt (DIE LINKE). Diskutiert wurde unter anderem: Wie lässt sich die Umgestaltung gemeinsam mit den Bewohner*innen realisieren? Warum gelten Einfamilienhäuser bislang nicht als ernstzunehmendes Feld architektonischer Gestaltung? Und wie müsste sich das Berufsbild von Architektinnen verändern, um dieser Aufgabe gerecht zu werden?
Die zentrale Erkenntnis: Das Einfamilienhaus muss nicht verschwinden. Aber es muss sich wandeln. Denn es ist kein Auslaufmodell – sondern ein Möglichkeitsraum.
