ProtoPotsdam: Schaustelle für eine nachhaltig gebaute Umwelt
Baumaterial testen, damit arbeiten und es bestenfalls lizenzieren: Mit dem Ziel einer praxisnahen Erforschung der Bauwende hat Bauhaus Erde in Potsdam einen erweiterbaren und vielfältig bespielbaren Pavillon entworfen und gebaut, der im Juni 2024 eröffnete.
In Potsdam ist ein neues Forum entstanden: Mit einem Richtfest Ende Juni hat die gemeinnützige Organisation Bauhaus Erde „ProtoPotsdam“ auf einem Grundstück der Stiftung Waisenhaus eingeweiht. Dieses temporäre Ausstellungsgelände dient der Erforschung und Demonstration nachhaltiger Baukonzepte und soll als Forum für Diskussionen über Bauprozesse und die Entwicklung einer neuen Baukultur genutzt werden. Der Bau, errichtet aus regionalen, wiederverwendbaren und nachwachsenden Materialien, wird dabei kontinuierlich erweitert. In Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin (TU Berlin), der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) und der Fachhochschule Potsdam (FHP) sollen hier zukünftig regionale Ressourcen und Potenziale in der Region Brandenburg-Berlin untersucht werden. Das Veranstaltungsprogramm und die Ausstellungen sind dabei sowohl auf ein Fachpublikum als auch auf die breite Öffentlichkeit ausgerichtet.
Prototypisch zirkulär, mit Holz und Lehm von nebenan
Probier-, Schauraum und Vorbild für nachhaltige Materialforschung – dieses Konzept sollte bereits im Baugrund verwirklicht werden: Bauhaus Erde plante den Pavillon unter Berücksichtigung der vorhandenen Fundamente. Die tragenden Rundholzstützen wurden direkt auf die historischen Grundmauern aus 150 Jahre altem Ziegelmauerwerk und Rüdersdorfer Kalkstein gesetzt, wodurch der Verbrauch von energieintensiven Baustoffen wie Zement und Stahl minimiert wurde. Wiederverwendete Ziegelsteine von einem abgerissenen Bauernhof in Schwedt bilden den Sockel, der in Trasskalkmörtel gemauert wurde. Die tragende Bodenplatte benötigt keinen frischen Zement, da sich recycelter Betonschotter im verdichteten Zustand durch Brechen und Luftzufuhr verfestigt.
Der Lehmkern auf dem Altziegelsockel, geschützt durch eine Sperrschicht gegen Feuchtigkeit, zeigt Einsatzmöglichkeiten für hochverdichtete tragende Lehmsteine. Diese Steine wurden im Innovation Lab von Bauhaus Erde in Marienfelde entwickelt, von Hand gepresst und luftgetrocknet. Sie stammen aus dem Aushub einer Berliner Großbaustelle, sind energiearm in der Herstellung, vollständig wiederverwendbar und können in mehrgeschossigen Gebäuden bis Gebäudeklasse 4 als tragendes Mauerwerk verwendet werden. Die größte Herausforderung bei der Verarbeitung von Lehm ist jedoch die Witterung: Während der Bauphase müssen die Steine vor Schlagregen und Wasser geschützt werden. Unverputzte Lehmsteine im Außenbereich benötigen ausreichenden Dachüberstand. Hohe Luftfeuchtigkeit und leichte Niederschläge sind hingegen unproblematisch.
Das weit auskragende Dach wird von Rundholzstützen aus Robinie getragen, einem witterungsbeständigen Laubholz, das schnell nachwächst und sich gut an klimatische Bedingungen anpasst. Jede Stütze für den Pavillon musste einzeln ausgewählt und fachmännisch begutachtet werden. Der Weg zur Zertifizierung ist in solchen Fällen lang und kostenintensiv. Dieser Prozess soll zeigen, welche Schritte nötig sind, um flexibel auf veränderte Rohstoffverfügbarkeiten zu reagieren.
Angenehmes Klima für offene Nutzung
Neben dem Pavillon befindet sich ein Regenrückhaltebecken, dessen Teichboden ohne Folie oder Beton, sondern nur mit reinem Lehm abgedichtet ist. Dadurch kann sich das Wasser sammeln und verdunsten, bevor es in die Versickerungsmulde überläuft. Eine angeschlossene Zisterne für die Gartenbewässerung hält möglichst viel Wasser vor Ort, das anschließend versickert und dem Grundwasser zugeführt wird. Dieses Wassermanagement veranschaulicht das Konzept der „Schwammstadt“ und sorgt für ein angenehmes Mikroklima bei Veranstaltungen sowie für die Kühlung überhitzter Siedlungsräume. Der offen zugängliche Außenbereich wird für Veranstaltungen und eine Dauerausstellung genutzt.
Erarbeiten, diskutieren und zur Schau stellen
Experimentieren, Lernen und Diskutieren über die nachhaltige Transformation unserer gebauten Umwelt ist das gesetzte Ziel dieses Projektes. In einem Programm, kuratiert von Bauhaus Erde, soll auf der Schaustelle in den kommenden Jahren eine Vielzahl von Veranstaltungen, Workshops, Seminaren, Events, Filmvorführungen, künstlerischen Performances und anderen kulturellen Austauschformen stattfinden. Im Herbst eröffnet die Dauerausstellung, die den Zusammenhang zwischen dem anfassbaren Material und dem Konzept „Bauen in planetaren Grenzen“ verdeutlicht. Vorher richtet Bauhaus Erde zudem eine Sommerschule für Studierende und alle weiteren Interessierten im August aus. Die Module der Schaustelle dienen als Forschungsanker und ermöglichen Besuchenden, sich individuell in den Wissenspool von Bauhaus Erde zu vertiefen. Durch die Beteiligungsformate soll ProtoPotsdam zu einem aktiven Werkzeug der Transformation werden.